Hulme, Keri: Unter dem Tagmond
Kurzkritik – Was meinen Sie? – Ausführliche Besprechung – Infos
Roman
Übersetzt von Joachim A. Frank
Fischer, 1993, 2012
Inhalt:
Dieses Buch ist beseelt von der Mythen- und Symbolwelt der Maori. Es ist ein heftiges, in mehrfacher Hinsicht verstörendes Buch und spielt in einer entlegenen Gegend an der Küste Neuseelands, einer urwüchsigen, von Stürmen und Regen heimgesuchten Landschaft. Im Zentrum der Geschichte stehen drei Menschen, eine Frau, ein Mann, ein Junge, die eine seltsame Art von Familie bilden, ohne zusammenzugehören, alle drei von ihren eigentlichen Möglichkeiten abgeschnittene, gebrochene Figuren. (Pressetext)
Kurzkritik:
Ein verspielter, erschütternder, poetischer Roman über drei verletzte und auch verletztende Seelen, der seine LeserInnen lange begleiten wird.
Werner gibt (4,5 von 5 Eselsohren)
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Nachtmeerfahrten
Die Neuseeländerin Keri Hulme und die Hauptfiguren ihres Romans stammen von den Maori ab, doch es wäre billig, das Ungewöhnliche dieses Buches einzig auf die Besonderheiten dieses indigenen Volkes zurückführen zu wollen. Deren Traditionen und Mythen mögen Hulme allerdings geholfen haben, die Nachtmeerfahrten ihrer Charaktere zu schildern (deren Ziel und Ende nach C. G. Jung “die Wiederherstellung des Lebens, die Auferstehung und die Todüberwindung ist”), ohne ins Peinliche abzurutschen.
Drei verletzte und auch verletztende Seelen treffen aufeinander: Die reiche Künstlerin Kerewin hat sich mit ihrer Familie überworfen und lebt allein in einem Turm an einem unwirtlichen Ort. Der gewalttätige und stumme Junge Simon ist der einzige Überlebende eines Schiffsunglücks. Er wohnt bei Joe, der den Tod seiner Frau nicht überwinden kann und psychisch wie physisch um sich schlägt – und das ihm zugelaufene Kind verprügelt.
Pseudofamilie
So beschaffen, scheitern diese drei daran, eine Pseudofamilie zu bilden. Dies löst, zumindest bei den Erwachsenen, einen Drang nach (Selbst-)Heilung aus, dem sie folgen. Ihre Läuterung lässt auf eine würdigere, erfülltere Zukunft hoffen: Joe behauptet, es ist vorbei, aber wir werden immer damit leben.
Dies werden die LeserInnen am Ende dieses verspielten, erschütternden, poetischen Romans wohl auch sagen.
Von Werner Schuster
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Keri Hulme, die 1947 in Christchurch/ Neuseeland geboren wurde und mütterlicherseits Maori-Vorfahren hat, erwarb sich durch ihren 1985 veröffentlichten Erstlingsroman ›Unter dem Tagmond‹ (im Original ›The Bone People‹) internationales Ansehen: der Roman, der von der Mythen- und Symbolwelt der Maori beseelt ist, wurde sogleich mit dem Booker Prize, Englands renommiertestem Literaturpreis, ausgezeichnet. Keri Hulme, die außerdem Erzählungen und Gedichte geschrieben hat, lebt bei Okarito.
Über Keri Hulme bei Wikipedia.
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