Sijie, Dai: Balzac und die kleine chinesische Schneiderin
Kurzkritik – Was meinen Sie? – Ausführliche Besprechung – Infos
Roman
Aus dem Französischen von Waeckerlin Induni
Piper (2001)
Inhalt:
Sie hat einen dicken schwarzen Zopf, zwei hinreißende Schühchen aus rosafarbener Seide und das zauberhafteste Lächeln, das man sich vorstellen kann: die Kleine Schneiderin aus dem abgelegenen Bergdorf, in die sich der junge Luo gleich beim ersten Anblick verliebt. Er und sein Freund, zwei Studenten, die zur kulturellen Umerziehung hierher ans Ende der Welt verschickt wurden, merken bald, daß sie nur eine einzige Möglichkeit haben, ihre Haut zu retten: Sie müssen in den Besitz jenes wunderbaren Lederkoffers gelangen, der die verbotenen Meisterwerke der westlichen Weltliteratur enthält. Denn nur aus Balzac und Stendhal, aus Dostojewski und Dumas können sie die Lebensenergie und den Esprit schöpfen, die sie brauchen, um den Widrigkeiten ihres Daseins und der Willkür des Dorfältesten Paroli zu bieten. Und vielleicht können sie am Ende sogar das Herz der Schneiderin gewinnen. (Pressetext)
Kurzkritik:
Sijies Buch ist eine in kraftvoller poetischer Prosa und mit viel Humor geschriebene Liebeserklärung an die Macht der Literatur, an die Macht der Liebe und an das Leben selbst. Vielleicht um nicht kitschig zu werden, lässt der Autor die Handlung kippen, um sie schließlich mit einem verstörenden, nicht angekündigten und auch wenig erklärten, offenen Schluss abrupt zu beenden. Das wirkt zwar, als hätte man sich in der Fremde gerade häuslich niedergelassen und würde plötzlich vor die Tür gesetzt, kann einem aber die Neugier auf Sijies zweites Buch, “Muo und der Pirol im Käfig”, nicht nehmen.
Werner gibt (3,75 von 5 Eselsohren)
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Abrupt endende Liebeserklärung
Ein schönes Buch mit einem etwas enttäuschenden Schluss: In “Balzac und die kleine chinesische Schneiderin” beschreibt Dai Sijie mehr oder weniger autobiografisch die Umerziehung zweier chinesischer Intellektuellen-Söhne Ma und Luo in einem Bergdorf, wo sie harte Arbeit verrichten müssen.
Da sie fantasiebegabte Lausbuben sind, gelingt es ihnen, sich einige Freiräume herauszuschlagen. So werden sie etwa ins Kino geschickt, um den Dorfbewohnern die Filme nachzuerzählen. Und so lernen sie auch die Tochter eines Schneiders kennen, die mit Luo eine Beziehung eingeht.
Mit glühenden Ohren
Parallel dazu entdecken sie für sich die Welt westlicher, in China verbotener Bücher, die “Brillenschang”, ein anderer Umzuerziehender, mit sich gebracht hat. “Ich”, schreibt der Ich-Erzähler Ma über Balzacs “Ursula Mirouet”, “blieb den ganzen Tag im Bett, mit glühenden Ohren in die französische Liebesgeschichte vertieft, vergaß darüber zu essen und zu trinken und die ganze Welt um mich herum.”
Sie stehlen dem abreisenden Brillenschang seine Bücherkiste mit Werken von Flaubert, Gogol, Melville und Rolland: Als ich “Johann Christof” fertig gelesen hatte, waren weder mein verdammtes Leben noch meine verdammte Welt wie zuvor.
Die Macht der Literatur
Sijies Buch ist eine in kraftvoller poetischer Prosa und mit viel Humor geschriebene Liebeserklärung an die Macht der Literatur, an die Macht der Liebe und an das Leben selbst. Vielleicht um nicht kitschig zu werden, lässt der Autor die Handlung kippen, um sie schließlich mit einem verstörenden, nicht angekündigten und auch wenig erklärten, offenen Schluss abrupt zu beenden. Das wirkt zwar, als hätte man sich in der Fremde gerade häuslich niedergelassen und würde plötzlich vor die Tür gesetzt, kann einem aber die Neugier auf Sijies zweites Buch, “Muo und der Pirol im Käfig”, nicht nehmen.
Von Werner Schuster
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Dai Sijie, geboren 1954 in der Provinz Fujian in China, gelang mit seinem ersten Roman »Balzac und die kleine chinesische Schneiderin« ein Bestsellererfolg, der inzwischen in 31 Sprachen erschienen ist und auch fürs Kino verfilmt wurde. Dai Sijie wurde für »Muo und der Pirol im Käfig« mit dem Prix Fémina 2003 ausgezeichnet. Er lebt als Schriftsteller und Regisseur seit 1984 in Paris, wohin der Student der Kunstgeschichte damals nach Jahren der kulturellen Umerziehung in einem chinesischen Bergdorf emigrierte.
Über Dai Sijie bei Wikipedia.
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