Böll, Heinrich: Gruppenbild mit Dame
Kurzkritik – Was meinen Sie? – Ausführliche Besprechung – Infos
Roman
KiWi, dtv
(1971)
Inhalt:
Leni Pfeiffer, geborene Gruyten, Jahrgang 1922, lernt während des Krieges den sowjetischen Kriegsgefangenen Boris kennen und lieben, besorgt ihm einen deutschen Pass und muß erfahren, daß er in einem Lager der Amerikaner umkommt. Inzwischen ist sie achtundvierzig, und ihr gemeinsamer Sohn sitzt im Gefängnis, weil er auf seine Weise ein an der Mutter begangenes Unrecht korrigieren wollte. Ein ironisch als »Verf.« eingeführter Autor rekonstruiert aus hinterlassenen Zeugnissen, aus Gesprächen und Erinnerungen das Leben dieser Frau. (Pressetext)
Kurzkritik:
Man wird vor allem in der deutschsprachigen Literatur der letzten hundert Jahre kaum ein Werk finden, das gleichermaßen kunstvoll gebaut und geschrieben und trotzdem eingänglich ist – und populär war.
Werner gibt (4,75 von 5 Eselsohren)
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If ever I saw one
Der Böll war als Typ wirklich Klasse. / Da stimmten Gesinnung und Kasse. / Er wär’ überhaupt erste Sahne, / wären da nicht die Romane. – Hat Robert Gernhardt diese Zeilen ernst gemeint? Wohl eher rhetorisch-ironisch, weil Böll ja wegen seines Engagements für einen menschlichen Umgang mit den RAF-TerroristInnen in Misskredit gekommen war.
Beim “Gruppenbild” aber war man sich sozusagen weltweit einig: “It is a Nobel Prize novel if ever I saw one“, meinte etwa Michael Ratcliffe in der Times. Und tatsächlich wird man vor allem in der deutschsprachigen Literatur der letzten hundert Jahre kaum ein Werk finden, das gleichermaßen kunstvoll gebaut und geschrieben und trotzdem eingänglich ist – und populär war.
Lebensumstände
Und alle Nachgeborenen können hier tatsächlich etwas Handfestes, Nachvollziehbares über die Lebensumstände zwischen 1922 und 1970 erfahren, mittels dieses kleinen Kosmos’ an Figuren mit der Protagonsitin Leni, Bauunternehmer-Tochter, Klosterschülerin, Mitglied des Bunds deutscher Mädchen, wegen ihrer Liebe zu einem russischen Kriegsgefangenen als “Sowjet-Hure” bezeichnet, eine Nachkriegs-Alleinerzieherin, welche sich schließlich in den 70er-Jahren mit einem türkischen Gastarbeiter anfreundet.
Verf.
Auf die Spur dieser Lebensgeschichte macht sich der sich als “Verf.” bezeichnende Autor, welcher in einer Art (literarischen) Reportage seine Rechercheergebnisse niederschreibt, während seine anfängliche Objekitivität einer unverhohlenen Sympathie für Leni weicht, die unter keinen Umständen (und da sind wir wieder bei Bölls RAF-Engagement) bestimmte Personengruppen auszugrenzen gedenkt.
Ein Buch, das man meiner Meinung nach zumindest einmal gelesen haben “sollte”. Versprochen: Dabei wird es nicht bleiben.
Von Werner Schuster
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Über Heinrich Böll bei Wikipedia.
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