Kaschnitz, Marie Luise: Steht noch dahin
Kurzkritik – Was meinen Sie? – Ausführliche Besprechung – Infos
Prosa
Taschenbuch: Suhrkamp
(1970)
Inhalt:
Im vorliegenden Band versammelte Kaschnitz knappe Gedichte in Prosa. Abgekürzte Romane und Tragödien im Umfang von Epigrammen, unheimliche Träume, Angstträume, Alpträume, Visionen des Schreckens des 20. Jahrhunderts … (Pressetext)
Kurzkritik:
Glasklare Gedanken hat Marie Luise Kaschnitz in diesen 1970 erschienenen Prosagedichten verarbeitet, welche Schrecken ausmalen, die Bestand gehabt haben oder zu einem kleinen Teil auch nicht mehr aktuell sind.
Werner gibt (4 von 5 Eselsohren)
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Glasklare Schrecken
Glasklare Gedanken hat Marie Luise Kaschnitz in diesen 1970 erschienenen Prosagedichten verarbeitet, welche Schrecken ausmalen, die Bestand gehabt haben oder zu einem kleinen Teil auch nicht mehr aktuell sind. Manche Stücke wiederum haben etwas Hellseherisches an sich, etwa “Ein Hinterwäldler”:
Ein Hinterwäldler, wenn es noch einen gäbe, würde staunen, käme er in unsere Stadt. Bei uns filmt jeder jeden, jeder hält jedem ein Mikrophon entgegen, jeder fragt jeden aus. Jeder weiß alles, etwa über Mexiko oder Havanna, jeder kann in wenigen Stunden jeden Ort der Erde erreichen. Bei öffentlichen Veranstaltungen werden statt Gedichten Auszüge aud dem Telefonbuch vorgelesen, zum Beispiel der Abschnitt A–B. Auf einer Wiese sähe der Hinterwäldler eine phallische Wurst aus Luft aufgerichtet, im Museum träfe er Gipsfrauen, die an Nähmaschinen sitzen oder im Handwaschbecken ihre Füße waschen. In Tanzlokalen würde er mit Lichtblitzen und auf der Straße mit Schimpfreden überschüttet, die aber nicht ihm gelten, nur wenn er richtig hinhört, doch auch ihm.
Von Werner Schuster
Marie Luise Kaschnitz wurde am 31. Januar 1901 als Tochter eines Offiziers in Karlsruhe geboren und wuchs in Potsdam und Berlin auf.
Nach einer Buchhandelslehre in Weimar und München war sie in einem Antiquariat in Rom tätig. Für ihre literarischen Werke wurde sie mit zahlreichen Preisen und Ehrungen ausgezeichnet, u.a. 1955 mit dem Georg-Büchner-Preis. Sie starbam 10. Oktober 1974 in Rom.
Über Marie Luise Kaschnitz bei Wikipedia.
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