Vinci, Simona: Zimmer 411
Kurzkritik – Was meinen Sie? – Ausführliche Besprechung – Infos
Roman
Aus dem Italienischen von Verena von Koskull
Goldmann, 2008 (HC), 2010 (TB)
(“Stanza 411”, Giulio Einaudi, 2006)
Inhalt:
Eine Frau sitzt in einem Hotelzimmer und schreibt einen Brief. Sie schreibt einen Brief an den Mann, dem sie einst leidenschaftlich verbunden war. Oft haben sich die Liebenden hier in Zimmer 411 getroffen, um eine Nacht miteinander zu verbringen und einander zu erforschen. Doch die Verheißung auf eine gemeinsame Zukunft hat sich nicht erfüllt, und es kommt der Tag, an dem sie aufbrechen müssen, um ihr Glück an einem neuen Ort zu suchen. Mit sich nehmen sie aber die Gewissheit, dass sie erfahren haben, was es bedeutet, von ganzem Herzen und mit völliger Hingabe zu lieben (Pressetext)
Kurzkritik:
Ich kann nicht sagen, ob Simona Vinci das beabsichtigt hat, doch auf mich wirkt “Zimmer 411” sehr abstrakt. Von der Liebesgeschichte der – einen Brief an ihren ehemaligen Geliebten schreibenden – Ich-Erzählerin wird nur das Nötigste berichtet, sodass die Story auf nahezu alle gescheiterten Beziehungen passt.
Werner gibt (4 von 5 Eselsohren)
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Es sind ja nur Worte
Ich kann nicht sagen, ob Simona Vinci das beabsichtigt hat, doch auf mich wirkt “Zimmer 411” sehr abstrakt. Von der Liebesgeschichte der – einen Brief an ihren ehemaligen Geliebten schreibenden – Ich-Erzählerin wird nur das Nötigste berichtet, sodass die Story auf nahezu alle gescheiterten Beziehungen passt, über die Gründe des Scheiterns erfäht man so gut wie gar nichts, es wird als schicksalhaft hingestellt. Die Frau und den Mann kann man sich zwar ein bisschen vorstellen, doch vor allem der Mann bleibt konturlos, wirkt wie aus mehreren verschiedenen Männern zusammengesetzt.
Diese Abstraktion hat nun den Effekt, dass man sich auf das Romangeschehen leicht projizieren kann und auch auf beide Personen, Mann und Frau, wiewohl Männern das von der Frau praktizierte ausgiebige Zurechtmachen für die Außenwelt wohl eher vom Beobachten her geläufig sein wird. Ansonsten berichtet Vinci in ihrem Roman auch von Müttern und Prostituierten, aber, wenn ich mich recht erinnere, nicht von Vätern.
Drauflos geschrieben?
Dafür bedient sie sich der römischen Mythologie und zitiert – mir persönlich manchmal zu – ausgiebig andere AutorInnen, von Ovid über Wittgenstein bis Szymborksa, um Gefühle und Zustände zu beschreiben, beschreiben zu lassen. Und ich bin mir nicht sicher, ob Vinci diesen Roman “drauflos” geschrieben wirken lassen wollte oder ob sie ihn tatsächlich drauflos geschrieben hat.
Kriegsberichte
Das ist keine Kritik, sondern eine Feststellung: Denn der Roman hat mich “trotzdem oder deshalb” berührt und aufgewühlt. Und Vinci behauptet ja selbst (– wobei ich den letzten Satz als Understatement auffasse):
So sind Briefe nun einmal: Sie bewegen sich in konzentrischen Kreisen, folgen keinem Handlungsfaden, bringen die Zeiten durcheinander. Es sind Kriegsberichte. Auf einen Zettel gekritzelte Schlachtpläne. Sie gehen einem gegen den Strich, doch was können sie am Ende schon schaden? Es sind ja nur Worte.
Von Werner Schuster
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Simona Vinci, 1970 in Mailand geboren, hat an der Universität Bologna Literaturwissenschaft studiert. Bereits im Alter von 27 Jahren sorgte sie mit ihrem schockierenden Debüt „Von den Kindern weiß man nichts“ für Furore. Für den Roman, der in 12 Sprachen übersetzt wurde, erhielt sie den renommierten Premio Elsa Morante. In Italien hat die Autorin bislang sieben Romane vorgelegt. Sie lebt in Budrio bei Bologna.
Über Simona Vinci bei Randomhouse.
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