Sanyal, Mithu M.: Vulva
Kurzkritik – Was meinen Sie? – Ausführliche Besprechung – Infos
Die Enthüllung des unsichtbaren Geschlechts
Sachbuch
Hardcover
Wagenbach, 2009
Inhalt:
Diese freche, facettenreiche, lustvoll erzählte Kulturgeschichte des weiblichen Geschlechts, eine Geschichte von Aberkennung und Aneignung, stellt die aktuelle Diskussion um Post- und Popfeminismus sowie um öffentlich enthüllte Privatgebiete auf ein solides Fundament. (Pressetext)
Kurzkritik:
„Vulva“ ist „eine kulturgeschichtliche Pionierarbeit für Leser jeden Geschlechts“, behauptet der Verlag, und zumindest das mit „jedem Geschlecht“ stimmt, auch wenn man sich als Mann nicht wohl dabei fühlt, dieses Buch in der Öffentlichkeit zu lesen (– man könnte ja für einen Spanner gehalten werden). Doch das ist bei weitem weniger schlimm, als wenn mir – wie den Frauen über Jahrtausende hinweg – suggeriert worden wäre, ich hätte gar kein Geschlechtsorgan oder auf jeden Fall kein richtiges.
Werner gibt (4,5 von 5 Eselsohren)
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Talking Vulvae
„Vulva“ ist „eine kulturgeschichtliche Pionierarbeit für Leser jeden Geschlechts“, behauptet der Verlag, und zumindest das mit „jedem Geschlecht“ stimmt, auch wenn man sich als Mann nicht wohl dabei fühlt, dieses Buch in der Öffentlichkeit zu lesen (– man könnte ja für einen Spanner gehalten werden). Doch das ist bei weitem weniger schlimm, als wenn mir – wie den Frauen über Jahrtausende hinweg – suggeriert worden wäre, ich hätte gar kein Geschlechtsorgan oder auf jeden Fall kein richtiges.
Davon ausgehend, hat Mithu M. Sanyal die Kulturgeschichte des Abendlandes nach Spuren des weiblichen Genitales durchforscht. Was sie an Mythen und Mythologien herausgefunden hat, kannte ich zwar großteils schon (von Göttner-Abendroth, Aliti, Francia usw.), doch ich halte es für wichtig, die Geschichten um Eva, Maria Magdalena (und Iambe/Bauba/Ishtar) immer wieder einmal aus weiblicher Sicht dargestellt zu bekommen.
Wenn (nackte) Frauen denken
Allerdings zeigt dieses Buch, dass es Männer nicht aushalten, wenn (nackte) Frauen denken. Sanyal erwähnt u.a. auch den Sexploitation-Film „Chatterbox“ aus dem Jahr 1977 mit einer sprechenden Vulva. (An dieser Stelle sei endlich erwähnt, dass mit Vagina die Körperöffnung bezeichnet wird, die die Vulva mit den inneren Geschlechtsorganen verbindet.)
Der Penis als Kommunikationsmittel
Doch zurück zur sprechenden Vulva: Damit Frau und Mann „doch noch zusammenfinden können, muss er erst mit der Tatsache zurechtkommen, dass auch er ein sprechendes – Sexualorgan hat. In dem Moment, in der er beginnt, seinen Penis als Kommunikationsmittel zu akzeptieren und nicht als Zepter, um die Welt zu regieren, kann er auch mit ihrer Vulva sprechen.“
Freud widersprechen
Das wäre kein Tipp für Sigmund Freud gewesen. Der hat ja, wie Sanyal berichtet, bei Ida Bauer Penisneid diagnostiziert und dass sie eigentlich mit ihrem Vater Sexualverkehr haben wollte (– während sie nicht verkraftete, dass ihr Vater einen Affäre mit einer verheirateten Frau hatte und der Ehemann dieser Geliebten sie im Gegenzug sexuell belästigte). Und weil sie ihm widersprach, sah sich Freud erst recht im Recht und qualifizierte sie endgültig als Hysterikerin ab.
Abqualifiziert
Abqualifiziert wurden auch Künstlerinnen wie Carolee Schneemann (Interior Scroll), Hannah Wilke, Valie Export (Tapp- und Tastkino), Yoko Ono (cut piece), Shigeko Kubota (Vagina Painting), Barbara Hepworth, Georgia O‘Keeffe, Yayoi Kusama, Judy Chicago (Dinner Party), Winifred Milius Lubell, Kathy Acker (Pussy, King of the Pirates) etc., die ab den 1960er-Jahren das weibliche Genitale und dessen Symbolisierung wiederentdeckten.
Nicht abqualifiziert wurden und werden zum Beispiel Striptease-Tänzerinnen. Aber spätestens nach der Lektüre dieses Buches wird man sich nicht mehr sicher sein, ob sich diese tatsächlich für Männer oder nicht doch für Frauen ausziehen.
Von Werner Schuster
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abgesehen davon, dass hierher viele kommen, die offensichtlich nicht nach information suchen, freut es mich – besonders als mann – sehr, dass auf meine besprechung bei den ceiberweibern hingewiesen wird.