Ahrens, Henning: Geburtstag, Bamberg (Laute Verse)
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Gedichte aus der Gegenwart
Herausgegeben von Thomas Geiger
Taschenbuch: dtv, 2009
Inhalt:
Mit Gedichten von Henning Ahrens, Marcel Beyer, Nico Bleutge, Nora Bossong, Ulrike Draesner, Daniel Falb, Matthias Göritz, Durs Grünbein, Hendrik Jackson, Thomas Kling, Christian Lehnert, Steffen Popp, Marion Poschmann, Monika Rinck, Hendrik Rost, Silke Scheuermann, Kathrin Schmidt, Sabine Scho, Lutz Seiler, Volker Sielaff, Ulf Stolterfoht, Anja Utler, Jan Wagner und Uljana Wolf. (Pressetext)
Werner gibt (4 von 5 Eselsohren)
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Thomas Geiger hat bei dtv eine Anthologie herausgegeben, die (im Regelfall) in eigenständigen Lyrikbänden veröffentlichte Gedichte von deutschen AutorInnen enthält. Diese AutorInnen haben zu jeweils einem Gedicht auch einen kurzen Text zur Entstehung geschrieben.
Das lässt sich leider nicht wiedergeben, aber eines der Gedichte sei hier abgetippt:
Henning Ahrens: Geburtstag, Bamberg
Für Dirk F.
Ein Tag ohne Bier / ist wie ein Tag ohne Wein!,
rief der Schädel des mongolischen Kriegers aus dem Schlafzimmer,
und wir, versammelt, um einen Geburtstag zu feiern,
beherzigten diesen Sinnspruch nur zu gern,
tranken beides und assen Buletten und Sushi,
immer wieder gestört vom Mahnen der Schädel
tibetischer Mönche, die von den Bücherregalen aus
Enthaltsamkeit und Mäßigung predigten. Ja,
diese Bamberger Barockwohnung,
wo Maria über unseren Köpfen in den Himmel fuhr,
argwöhnisch beäugt von heidnischen Gebeinen
und Masken für noch heidnischere Fruchtbarkeitsriten,
war der ideale Ort für ein multikonfessionelles Gelage,
bei dem bald niemand mehr niemanden kannte; irgendwann
hatten auch alle vergessen, wessen Geburtstag es war,
und deshalb gratulierten wir uns gegenseitig,
zu was auch immer, bis irgendjemand,
der sich zuvor noch rasch bekreuzigte,
das Quieken einer abgestochenen Sau imitierte.
Daraufhin verstummten alle Schädel,
Maria hielt bei ihrer Himmelfahrt inne,
ein Schatten fiel ins Zimmer, und eine Stimme,
die verdächtig nach der eines Gottes klang,
sprach: „Ich habe euch nicht erschaffen,
damit ihr eure kurze Zeit auf Erden nicht geniesst!“
Der Schädel des mongolischen Kriegers lachte schallend,
die Schädel der tibetischen Mönche blieben stumm,
und wir – wir stießen an auf einen Glauben, der das Leben liebt.
Von Henning Ahrens
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