Doulatabadi, Mahmud: Der Colonel
Kurzkritik – Was meinen Sie? – Ausführliche Besprechung – Infos
Roman
Aus dem Persischen und mit einem Nachwort von Bahman Nirumand
Unionsverlag, 2009 & 2010 (Taschenbuch)
Inhalt:
Eine pechschwarze Regennacht in einer iranischen Kleinstadt, ein altes Haus. Der Colonel hängt seinen Gedanken nach. Erinnerungen stürmen auf ihn ein. An seine Jahre als hochdekorierter Offizier der Schah-Armee. An seine Kinder, die ihren eigenen Weg gingen, sich den Revolutionsgardisten Khomeinis angeschlossen haben und in den Krieg zogen, in die Leidenschaften der Revolution und des Todes. Durch die Gassen werden die gefallenen “Märtyrer” getragen, in der Stadt werden ihnen Denkmäler gebaut. Es herrscht Krieg “diese giftige, fleischfressende Pflanze”.
Und im Haus sind Geheimnisse verborgen: Ein Sohn versteckt sich im Keller, gepeinigt von den Albträumen seiner Erinnerungen. Da klopft es an die Tür. Der Colonel wird abgeführt, zur Staatsanwaltschaft. (Pressetext)
Kurzkritik:
Wer mit dem Iran nur den Schah und Chomeini und die aktuelle Präsidentschaftswahl verbindet, wird mit diesem Buch verstehen, was die Menschen bewegt, bei Lebensgefahr gegen das Wahlergebnis zu protestieren.
Werner gibt (4,5 von 5 Eselsohren)
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Eine Tour de Force durch die Revolution
„Der Türklopfer durchbrach mit jedem Schlag das Geräusch des Regens. Regen, nichts als Regen, und der Aufprall der Tropfen auf das alte, verrostete Blechdach war so monoton, dass er selbst zu einem Teil der Stille geworden war.“ Mit diesem Satz leitet Doulatabadi eine Tour de Force durch die Geschichte des Iran ein.
Der Colonel ist ein Offizier der Schah-Armee, der Zeit seines Lebens den Interessen des eigenen Landes dienen wollte – auch gegen die Interessen und Befehle von oben. Die fünf Kinder des Patriarchen werden vom Sog der Revolution mitgerissen, jedes steht für eine politische Strömung. Der eine Sohn Amir hat gegen den Schah gekämpft und wurde gefoltert, der andere Sohn Mohammad Taghi ist als Mitglied der kommunistischen Volksfedajin bei einem Aufstand gefallen, die Tochter Parwaneh wurde als Sympathisantin der linken Volksmodjahedin vom Geheimdienstler Khazar Djavid getötet. Der Vater darf sie begraben, aber nur heimlich, während der Nacht.
Kein Entkommen
Die Handlung des Romans dauert etwa einen Tag und birgt doch das Panorama eines ganzen Jahrhunderts. Es ist ein großartiger Roman über eine schreckliche Zeit. Man sollte mit dem Nachwort beginnen, damit man weiß, wofür die einzelnen Personen stehen. Dieses Wissen wird dem „Genuss“ nicht im Wege stehen. Der enorme Suggestionskraft von Doulatabadis Sprache entkommt man so oder so nicht.
Er kreuzte die Arme über der Brust, schaute in den Abendhimmel und dachte: Oh Sonne, unsere Hoffnung, morgen wird sie scheinen, genau wie an jenem Tag, als man den Leichnam Mohammad Taghis brachte. Wohl denen, die morgen noch am Leben sind. Ich beneide sie nicht.
Von Werner Schuster
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Mahmud Doulatabadi wurde 1940 im Nordosten Irans geboren. Er arbeitete in der Landwirtschaft und als Handwerker. Später absolvierte er die Theaterakademie in Teheran und war eine Zeit lang Schauspieler. Aus politischen Gründen war er zwei Jahre in Haft. Heute lebt er mit Frau und drei Kindern in Teheran als freier Schriftsteller und Universitätsdozent für Literatur.
Über Mahmud Doulatabadi beim Unionsverlag.
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