Schirach, Ferdinand von: Verbrechen
Kurzkritik – Was meinen Sie? – Ausführliche Besprechung – Infos
Erzählungen
Erschienen 2009 bei Piper
Inhalt:
Ferdinand von Schirach hat es in seinem Beruf alltäglich mit Menschen zu tun, die Extremes getan oder erlebt haben. Das Ungeheuerliche ist bei ihm der Normalfall. Er vertritt Unschuldige, die mit dem Gesetz in Konflikt geraten, ebenso wie Schwerstkriminelle. Deren Geschichten erzählt er – lakonisch wie ein Raymond Carver und gerade deswegen mit unfassbarer Wucht. (Pressetext)
Kurzkritik:
Ferdinand von Schirach beschreibt seine „Verbrechen“ lakonisch – das steht zwar auch auf dem Klappentext, doch besser lässt es sich einfach nicht sagen. Diese lakonische Schreibweise erzeugt eine Distanz und Geordnetheit, die die Lektüre auf der einen Seite erträglicher macht, dem Urteil des Lesers/der Leserin auf der anderen Seite aber mehr Raum dadurch lässt, dass der Autor eine Wertung der Geschehnisse nicht vorweg nimmt.
Mir war oft, als hätte ich im Kopf direkt miterlebt, was da mit den Verbrechern und mit den Opfern passiert – und paradoxerweise erzeugte gerade diese distanzierte Sprache bei mir eine Nähe zu den Figuren – vielleicht, weil diese nicht aufgezwungen wird.
Werner gibt (4,75 von 5 Eselsohren)
Und hier können Sie das Buch bestellen:
– in einer Buchhandlung in Ihrer Nähe
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Dies sind keine Verbrechen
Während der Lektüre dieses Buches befand ich mich in einem Paralleluniversum. Zugegeben, wenn mich ein Buch fesselt, verschwinde ich schon mal ganz darin und lasse mich ungern von so Alltäglichem wie Geldverdienen oder Zähneputzen wieder herausreißen. Doch selten habe ich mich mit solchem Bedauern damit abgefunden, dass auch dieses Buch nur eine begrenzte Anzahl an Seiten hat.
Ferdinand von Schirach ist Anwalt und Strafverteidiger in Berlin. Seine Kurzgeschichten geben Einblick in eine Auswahl seiner Fälle und in die Seelen seiner Mandanten. Und es ist tatsächlich ein Hineinsehen in ein Verbrechen und dessen ganz unverwechselbare Struktur, ja Architektur – faszinierend, befremdend, schrecklich und schön zugleich.
Habgier, Skrupellosigkeit und Manipulation
Erschreckt hat mich die Story „Tatanas Teeschale“: Jugendliche glauben, bei einem Einbruch leichte Beute machen zu können und haben sich gründlich getäuscht. Habgier und Skrupellosigkeit spielen hier die Hauptrollen.
Amüsiert hingegen hat mich die Geschichte „Der Igel“, wo es um geschickte Manipulation und Täuschung geht: Ein (scheinbar?) geistig Minderbemittelter schafft es, seinem Bruder das Gefängnis zu ersparen.
Angst, Wahnvorstellungen und Vorverurteilung
Und „Grün“ hat mich traurig gemacht. Es ist eine Story über Angst, Wahnvorstellungen und Vorverurteilung. Hier wurde mir aber auch ein einfühlsamer Einblick in ein Bewusstsein gewährt, dessen Fremdartigkeit mich sonst abgestoßen hätte.
Ferdinand von Schirach beschreibt seine „Verbrechen“ lakonisch – das steht zwar auch auf dem Klappentext, doch besser lässt es sich einfach nicht sagen. Diese lakonische Schreibweise erzeugt eine Distanz und Geordnetheit, die die Lektüre auf der einen Seite erträglicher macht, dem Urteil des Lesers/der Leserin auf der anderen Seite aber mehr Raum dadurch lässt, dass der Autor eine Wertung der Geschehnisse nicht vorweg nimmt.
Distanz erzeugt Nähe
Mir war oft, als hätte ich im Kopf direkt miterlebt, was da mit den Verbrechern und mit den Opfern passiert – und paradoxerweise erzeugte gerade diese distanzierte Sprache bei mir eine Nähe zu den Figuren – vielleicht, weil diese nicht aufgezwungen wird.
Ferdinand von Schirach hat seine Stories zwischen zwei Zitate verpackt, die zwischen der trockenen Beschreibung der Tatsachen und der während des Lesens zunehmend spürbarer werdenden Metaebene den Bogen spannen:
„Die Wirklichkeit, von der wir sprechen können, ist nie die Wirklichkeit an sich.“ (Werner K. Heisenberg) und
„Ceci n‘est pas une pomme.“ Das ist der Titel eines Bildes von René Magritte. Darauf ist ein Apfel zu sehen.
Nun, der Titel des Buches von Ferdinand von Schirach ist „Verbrechen“ –
Eva Schuster
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Über Ferdinand von Schirach auf www.schirach.de und im Gespräch mit der FAZ.
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- von: Eva
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Auf den Punkt gebracht, Frau Schuster! Nun, der Titel des Buches von Ferdinand von Schirach ist “Verbrechen” (zitiere ich Sie, und ergänze:) und in (fast?) jeder der Stories werden Äpfel oder zumindest einer oder zwei (Augäpfel) erwähnt.