Sandstrak, Pelle: Herr Tourette und ich
Kurzkritik – Was meinen Sie? – Ausführliche Besprechung – Infos
Bericht eines glücklichen Menschen
Erschienen 2009/2011 bei Lübbe
Aus dem Schwedischen von Susanne Dahmann
Originalausgabe: „Mr Tourette och jag“
Inhalt:
Pelle erstarrt, wenn eine Möwe über ihm kreist, klaut Schmuck, nur um ihn berühren zu können, rastet aus, flirtet manisch, ticst und zwangshandelt. Ein Klassenclown, gefürchteter Gegner beim Sport, manchmal ganz einfach ein netter Junge. Ein rasendes Leben, voller Verzweiflung – und irgendwann Resignation. Er steht einen Zentimeter vor dem Abgrund, als all das einen Namen bekommt: Tourette-Syndrom. Das Besondere an seinem Buch ist nicht nur die mit großem Talent beschriebene Innenansicht eines Touretters. Es ist der Witz, mit dem Pelle seine Leser in die absurdesten Situationen führt, es ist die wilde Mischung aus Lachen und Anteilnahme, die er auslöst. (Pressetext)
Kurzkritik:
Ich konnte das Buch nur in kleinen Dosen lesen, so intensiv, subjektiv und schonungslos beschreibt Sandstrak den Alltag eines Touretters von Kindheit an.
Erst ganz am Schluss des Buches konnte ich mich entspannen, aufatmen und mir die Zufriedenheit und Gelassenheit vermitteln lassen, die Sandstraks Leben prägen, seit er beschlossen hat, gesund genug zu sein. Selten hat mich eine Geschichte so ergriffen. Aber wer sich, wie ich am Anfang, flockige Insidergeschichten eines launigen Touretters erwartet, wird – zu Recht – enttäuscht werden. Und eines Besseren belehrt. Und bereichert.
Und hier können Sie das Buch bestellen:
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Herr Sandstrak und ich
„Bericht eines glücklichen Menschen“ ist der Untertitel dieses Buchs. Der Klappentext verspricht hochgradig Witziges und Berührendes. Es geht um das Tourette-Syndrom aus der Sicht eines Touretters. Darüber weiß ich sogar ein bisschen was; ich habe schließlich meinen Oliver Sacks gelesen. Naiv will ich mich dem verheißenen Lesevergnügen hingeben – und das mit einem gewissen Voyeurismus, zugegeben.
Wenn man kein x, y, z oder e schreiben kann
Doch ich konnte das Buch nur in kleinen Dosen lesen, so intensiv, subjektiv und schonungslos beschreibt Sandstrak den Alltag eines Touretters von Kindheit an. Wie es ist, sich durch die Schuljahre zu schwindeln, wenn man kein x, y, z oder e schreiben kann, wie es ist, auszurasten, wenn der Sitznachbar eine Karotte isst, wie jedes vorbei fliegende Flugzeug einen Schwall von ritualisierten Handlungen nach sich zieht, die man auch noch tunlichst vor den anderen verbergen muss, und wie die Traurigkeit und die Hoffnung, bald ganz gesund zu sein (ohne auch nur die kleinste Ahnung zu haben, was einem fehlt), sich abwechseln, erzählt Sandstrak offen, sehr bildhaft und ohne jede Wehleidigkeit.
Handlungsunfähig
Als er nach seinen Wehrdienstjahren nach Oslo geht, will er alleine zurechtkommen, wurschtelt sich von Job zu Job und beginnt dabei immer mehr zu dekompensieren, bis seine Tics, Rituale und Zwangshandlungen sich ins Groteske auswachsen und ihn nahezu handlungsunfähig machen. Doch er ist ein Kämpfer – ein Ja-Sager, wie ihm einst ein Lehrer konstatierte, und irgendwie schafft er es, nicht zu verhungern und immer einen Schlafplatz zu finden, auch wenn er für diesen mit einer Interrail-Karte nächtens von einer Stadt zur anderen fahren muss, um schlafen zu können.
Durch einen Zufall erfährt Pelle Sandstrak, dass das, was ihn seit Jahren immer unerbittlicher quält, einen Namen hat, ein Syndrom ist, auch andere betrifft und behandelbar ist. Doch allein bei der Schilderung einer solchen Behandlungs-Session möchte ich vor Frust laut schreien – wie muss es da erst ihm ergangen sein?
Ergreifend
Erst ganz am Schluss des Buches konnte ich mich entspannen, aufatmen und mir die Zufriedenheit und Gelassenheit vermitteln lassen, die Sandstraks Leben prägen, seit er beschlossen hat, gesund genug zu sein. Selten hat mich eine Geschichte so ergriffen. Aber wer sich, wie ich am Anfang, flockige Insidergeschichten eines launigen Touretters erwartet, wird – zu Recht – enttäuscht werden. Und eines Besseren belehrt. Und bereichert.
Von Eva Schuster
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