McAdam, Colin: Fall
Kurzkritik – Was meinen Sie? – Ausführliche Besprechung – Infos
- Hardcover
- Erschienen 2010 bei Wagenbach
- Aus dem kanadischen Englisch von Eike Schönfeld
- Originalausgabe: „Fall“, 2009
Inhalt:
Die Diplomatensöhne Noel und Julius sind im Elite-Internat von St. Ebury nicht nur Zimmergenossen, sondern verlieben sich auch beide in die schöne Fall. Wie der introvertierte Bücherwurm und Gewichtestemmer Noel damit umgeht, dass er gegen den beliebten, gutaussehenden Julius den Kürzeren zieht, erzählt Colin McAdam in seinem neuen Buch. (Pressetext)
Kurzkritik:
Was für ein Buch! Ein immerhin fast 40-Jähriger versetzt sich und uns in die Welt von Pubertierenden, die außer sexuelle Handlungen mit relativ austauschbaren Zielen bloß richtungsloses Aufbegehren und relativ brutale Streiche im Sinn haben.
Bis ungefähr zur Hälfte des Knapp-400-Seiten-Buchs passiert „nichts sonst“ und das ist großartig zu lesen. Doch dann musste McAdam aus irgendeinem Grund ein Verbrechen einbauen.
Meiner Meinung nach wäre das nicht nötig gewesen. Und wenn schon, dann hätte McAdam das Verbrechen meiner Meinung nach viel früher einbauen sollen, weil das Buch für mich in zwei Teile zerfällt, für deren (schwächeren) zweiten der (wunderbare) erste eigentlich nicht nötig gewesen wäre.
Werner gibt (3 von 5 Eselsohren)
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Haare in der Suppe
Ich hab so meine Probleme mit Büchern, die keine eindeutigen Lösungen für die aufgeworfenen Probleme liefern. Wenn ich auf der letzten Seite gewissermaßen nicht weiß, wer der Täter ist, dann lese ich stets das letzte Kapitel nochmal, und wenn ich‘s dann trotzdem nicht begriffen habe, blättere ich relativ verzweifelt im ganzen Buch herum auf der Suche nach jener Stelle, wo es einen Hinweis darauf geben könnte. Und wenn ich die Lösung dann immer noch nicht erkenne oder verstehe, frage ich mich, ob ich zu blöd oder der/die Autor/in zu gescheit ist.
Nun weiß ich schon, dass manchmal Schlüsse bewusst offen gelassen werden {– was ich für ein Wagnis halte, weil wir halt konditioniert sind auf (Happy) Ends oder weil wir das vielleicht sogar brauchen, und meiner Meinung nach funktioniert das nur, wenn der ganze Roman daraufhin aufgebaut ist}, nur hat mich so etwas selten befriedigt zurückgelassen, mir oft sogar die bis dahin vielleicht erfreuliche Lektüre mehr oder weniger, aber nachhaltig verdorben.
Falls Fall
Bei Colin McAdams „Fall“ war dies der Fall. (Sorry für den Kalauer.) Was für ein Buch! Ein immerhin fast 40-Jähriger versetzt sich und uns in die Welt von Pubertierenden, die außer sexuelle Handlungen mit relativ austauschbaren Zielen bloß richtungsloses Aufbegehren und relativ brutale Streiche im Sinn haben.
Wir befinden uns noch dazu in einem Internat, dessen Personal (dessen ganzes System) diesen Umtrieben aus Selbstschutz mit Verständnislosigkeit und kontraproduktiver Strenge begegnet. Hier teilen sich Noel (introvertierter Bücherwurm, Gewichtstemmer) und Julius (beliebt, gutaussehend) ein Zimmer. Beide sind in dasselbe Mädchen namens Fall (hübsch, selbstbewusst) verliebt, nur ist die halt mit Julius zusammen, was Noel einfach nicht akzeptieren will oder kann.
Wer ist Ich?
Das wird einerseits auktorial erzählt, andererseits von einem oder verschiedenen Ichs – wobei nicht ganz klar ist, wer sich hinter diesem/diesen Ich/s tatsächlich „verbirgt“. (Manchmal glaubt man‘s zu wissen, dann ist man sich wieder nicht sicher.)
Du siehst gut aus sag ich, Hände zueinander hingestreckt, denn wir wollen beide mehr.
Ich finde wir lassen Algebra jetzt sausen und rauchen amerikanischen Tabak sag ich.
Ich glaube du könntest Recht haben sagt sie. Aber ich mag Algebra.
(–)
Wir sind wie ein altes Paar. Letztes Jahr. (–) Wir sollten Kinder kriegen.
Wie sollen wir das denn machen sagt sie.
Ich zeigs dir.
Nach Algebra.
Bis ungefähr zur Hälfte des Knapp-400-Seiten-Buchs passiert „nichts sonst“ und das ist großartig zu lesen. Doch dann musste McAdam aus irgendeinem Grund ein Verbrechen einbauen, Fall verschwindet und Noel hat damit zu tun, aber man weiß nicht so recht, was. (Wir wissen mittlerweile: ich hab‘s nicht herausbekommen und das hat mich frustriert.)
Zerfällt
Abgesehen davon hätte McAdam das Verbrechen meiner Meinung nach viel früher einbauen sollen, weil das Buch für mich in zwei Teile zerfällt, für deren (schwächeren) zweiten der (wunderbare) erste eigentlich nicht nötig gewesen wäre.
Vielleicht (Vorsicht: Unterstellung!) wollte er auch nur den ersten Teil schreiben und dann hat man ihm (zu Unrecht!) eingeredet, dass so etwas kein Mensch lesen will oder wenigstens nicht genug; bauen Sie doch ein Verbrechen ein, Herr McAdams, so was kommt immer gut. Und dann wollte McAdams auf seinen künstlerischen Anspruch nicht verzichten und hat so einen verschwurbelten Schluss verfasst, daran wollte man jetzt nicht auch noch herummäkeln und so hat man ihn halt drinnen gelassen, obwohl so etwas immer haarig ist.
Schade um diese köstliche Suppe! (Und jetzt bitte doch einen Euro für die Kalauerkasse.)
Von Werner Schuster
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Colin McAdam, 1971 geboren, ist in Hongkong, Dänemark, England und Kanada aufgewachsen. Der Kanadier hat in Cambridge sowie in Kanada Literatur der Renaissance studiert. Heute pendelt er zwischen Sidney und Montreal.
Mehr über Colin McAdam bei Wikipedia (Englisch) und auf www.colinmcadam.com.
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