Viel, Tanguy: Paris-Brest
Kurzkritik – Was meinen Sie? – Ausführliche Besprechung – Infos
- Hardcover
- Erschienen 2010 bei Wagenbach
- Aus dem Französischen übersetzt von Hinrich Schmidt-Henkel
- Originalausgabe: „Paris-Brest“, 2009
Inhalt:
Nicht immer sind Familien Orte der Geborgenheit und Liebe – Der neue Roman von Tanguy Viel handelt von einer bretonischen Sippe, in der keiner keinem traut. Und zwar aus gutem Grund. Ein meisterhafter, burlesker Familienkrimi. (Pressetext)
Kurzkritik:
Der Kurzroman wird erzählt von Louis, der aus Brest nach Paris geflüchtet ist und nach Jahren wieder zu Weihnachten nach Hause fährt. Zuvor mussten seine Eltern aus Brest wegziehen, denn dem Vater wurde vorgeworfen, die Finanzen des lokalen Fußballvereins veruntreut zu haben. Mittlerweile sind die Eltern zurück, was auch mit dem Vermögen zusammen hängt, das die Großmutter geerbt hat.
Louis schreibt die Vergangenheit um. Dass dies weitreichende Folgen für das Verhältnis zu seiner Familie haben könnte, ahnt er nicht.
Sabine gibt (3,75 von 5 Eselsohren)
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Was passiert sein könnte
Der Kurzroman wird erzählt von Louis, der aus Brest nach Paris geflüchtet ist und nach Jahren wieder zu Weihnachten nach Hause fährt. Zuvor mussten seine Eltern aus Brest wegziehen, denn dem Vater wurde vorgeworfen, die Finanzen des lokalen Fußballvereins veruntreut zu haben. Mittlerweile sind die Eltern zurück, was auch mit dem Vermögen zusammen hängt, das die Großmutter geerbt hat.
„Der junge Kermeur“
Eben diese Großmutter hat mit dem Vermögen auch eine Putzfrau, Madame Kermeur, geerbt, die sie weiterhin beschäftigen soll. Mit deren Sohn, dem „jungen Kermeur“, war Louis schon befreundet, was seine Mutter nicht goutierte. Weil er ein schlechter Einfluss sei, und auch, weil sie arme Leute nicht möge, wie Louis meint. Die Mutter lebt auf jeden Fall in der ständigen Angst, dass jemand die Großmutter ausrauben und damit ihr eigenes, zukünftiges Erbe stehlen könnte – und verdächtigt dabei schon im Vorhinein Madame Kermeur und ihren Sohn.
Ein Familienroman
Louis erzählt in Rück- und Vorblenden, was passiert ist, passieren wird und passiert sein könnte. Aus den Geschehnissen in seiner Familie und dem folgenreichen Kontakt zu den Kermeurs konstruiert Louis einen Familienroman, in dem er die Vergangenheit umschreibt. Dass dies weitreichende Folgen für das Verhältnis zu seiner Familie haben könnte, ahnt er nicht.
Nachdenkliches Selbstgespräch
Tanguy Viel schreibt in langen, kunstvoll konstruierten Sätzen, die die Vorstellungswelt des gutbürgerlichen Louis sehr gut widerspiegeln und noch viel mehr seine Distanziertheit zum Leben. So etwa beginnt Louis‘ Nachdenken über das Erbe der Großmutter mit folgendem Satz, der typischerweise zwischen Selbstgespräch und Adressierung an den Leser schwankt: „Stimmt schon, es ist irgendwie lustig, auf welche Weise sie reich wurde, meine Großmutter, wegen der fünfzehn Stufen vorm Cercle Marin, die er, der alte Herr, sozusagen nicht allein hinuntergehen konnte, seine achtundachtzig Jahre steckten ihm in den wackligen Beinen, zitternd suchte seine Hand das Geländer, an jenem Tag wartete er also sozusagen vorm Eingang, wagte nicht, etwas zu sagen oder um Hilfe zu bitten und dachte, er würde es schon noch schaffen, da hinunter und am nächsten Morgen wieder hinauf, wie gewohnt.“ Mit solch detaillierten Beschreibungen zögert Louis es oft hinaus, ein Thema direkt anzusprechen, und hält so den Leser in gespannter Erwartung.
Von Sabine Schönfellner
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Tanguy Viel, geboren 1973 in Brest, lebt heute in Meung-sur-Loire und Paris. Er hat bereits vier Romane veröffentlicht, die von der französischen Presse wegen ihrer stilistischen Kunst hoch gelobt wurden.
Mehr über Tanguy Viel bei Wikipedia.
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