14/11/2010von 834 Views – 2 Kommentare

Der alte Mann und die Eselsohren

Liebe LeserInnen,

ich schreib ja jetzt ein Buch. Thema ist klar, aber für welche von diesen beiden Versionen soll ich mich entscheiden?

A)

Die Novelle handelt von einem alten Mann, der mit seinem Schiff namens „Eselsohren“ auf Unique-Visitors-Jagd geht und sich immer neue Fangmethoden einfallen lässt.

Wie die „ultimative Büchersuche“. Er denkt sich nämlich: was gibt es Schöneres, als dass die Unique Visitors (UVs) die bei den Eselsohren besprochenen Bücher ganz einfach und komfortabel finden?

Es dauert einen Samstag-Nachmittag lang {bei schönstem Herbstwetter; man hätte auch spazieren gehen können; Anm.}, bis der alte Mann ein Wunderding namens „Marlin“ entdeckt. Mit dem kann er zum Beispiel alle Romane mit dem zugewiesenen Schlagwort „empfohlen“ auf einer Seite auflisten. Und die UVs könnten diese mit einem Klick abrufen!

Das lässt sich jetzt weiterspielen von hier bis zur Unendlichkeit:
– „Romane“ + „nicht gefallen“
– „Romane“ + „N-Amerika (AutorIn)“ + „empfohlen“
– „Romane“ + „N-Amerika (AutorIn)“ + „nicht gefallen“
– „Romane“ + „N-Amerika (AutorIn)“ + „N-Amerika (Schauplatz)“ + „empfohlen“
– „Romane“ + …
– „Krimis“ + …
– „Sachbücher“ + …
– „Jugendbücher“ + …

Und das alles auf einer Seite abrufbar! Der alte Mann nennt diese „Finden“ und macht sich freudig ans Werk. Was für ein Fang!

Bevor er jedoch die kompletten AutorInnen- und Verlags-Seiten umbaut und sämtliche ca. 1.000 Besprechungen neu verschlagwortet sowie die dann veralteten Links aus jedem einzelnen Artikel löscht, zuvor also bemerkt der alte Mann, dass „Marlin“ die Eselsohren langsam macht. Sehr langsam. Man kann quasi zusehen, wie jemand die Buchstaben von Hand schreibt und wie jemand anderer kurz darauf die Bilder dazu malt.

Ihm ist, als würden Haie an seinem Marlin nagen. Schweren Herzens schaltet er ihn ab. Von seiner „ultimativen Büchersuche“ bleibt nur ein Skelett.

Die Frau des alten Mannes bricht in Tränen aus, als sie ihn am nächsten Tag in seinem Büro schlafend findet. Und sie weiß: er träumt immer noch von 10.000 UVs pro Tag.

B)

Ein Journalist hat eine Website geerbt, möchte mehr UVs und engagiert einen alten Griechen als Webmaster. Der redet ihm „die ultimativen Büchersuche“ ein und widmet sich dann Wein, Weib und Gesang. Der Journalist lässt von zahllosen indischen {!} Programmierern den „Marlin“ entwickeln. Der Grieche kommt wieder mal vorbei und organisiert eine Pressekonferenz, während der die Site komplett abstürzt. Der Journalist ist am Boden zerstört, doch der Webmaster sagt: „Hast du jemals erlebt, wie etwas so schön zusammen kracht?“ – Und dann trinken sie ordentlich was und dann sagt der Journalist, „Lehre mich tanzen, Sorbas!“

Strand! – Sonnenuntergang! – Sirtaki!

Von Werner Schuster

P.S.: Bei Version B fehlt natürlich das Love Interest. Soll ich zum Beispiel den Tanz von einer … Witwe stören lassen, die den Journalisten fragt, warum er nicht einfach eine bessere Suche anbietet (welche die UVs z. B. auf bestimmte Kategorien und/oder Schlagworte beschränken können)? Und Sorbas würde augenblicklich beginnen, die beiden zu verkuppeln?

Im Original ist die Witwe zu diesem Zeitpunkt aber bereits tot! Soll ich sie früher einbauen? Soll ich lieber Version A nehmen? Soll ich etwas ganz anderes plagiieren? Oder das Schreiben lassen? Was meinen Sie?


2 Kommentare zu "Der alte Mann und die Eselsohren"

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  1. eva sagt:

    das mit der witwe lass mal lieber!

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Literaturmagazin Eselsohren – 

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