Schaper, Rüdiger: Die Odyssee des Fälschers
Kurzkritik – Was meinen Sie? – Ausführliche Besprechung – Infos
- Die abenteuerliche Geschichte des Konstantin Simonides, der Europa zum Narren hielt und nebenbei die Antike erfand
- Hardcover
- Erschienen 2011 bei Siedler
Inhalt:
Konstantin Simonides war der geschickteste und schamloseste Fälscher von alten Manuskripten im 19. Jahrhundert. Rüdiger Schaper bietet eine hinreißende biographische Erzählung, die zudem auf anschauliche Weise die Frage nach Originalität und Fälschung stellt. Das Buch weckt nicht nur Sympathien für seinen skurrilen Helden, sondern beschwört zugleich die Antikensehnsucht vom 19. Jahrhundert bis heute und zeigt, wie sich das moderne Europa seine Antike erfand. (Pressetext)
Kurzkritik:
Mit „Die Odyssee des Fälschers“ hat Rüdiger Schaper eine vergnügliche, informative und stilistisch niveauvolle Biografie eines Meisterfälschers geschrieben. Konstantin Simonides hat Zeit seines Lebens im Europa des 19. Jahrhunderts „antike“ Manuskripte verkauft (oder zu verkaufen probiert). Er ist dafür einige Male ins Gefängnis gewandert, was ihn nicht daran gehindert hat, in einer anderen Stadt, in einem anderen Land sein Glück wieder zu versuchen.
Und er hat mit dem Fälschen auch vor seinem eigenen Leben nicht Halt gemacht: Seine wahre Biografie ist inmitten all der Lügen kaum auszumachen. (Er hat über sich selbst sogar ein Buch unter falschem Namen geschrieben.)
So ist es bewundernswert, dass Schaper aus den wenigen Fakten und der vielen Fiktion ein anschauliches Porträt von Simonides herausdestilliert hat, bei dem man stets den Eindruck hat: so könnte sich das alles tatsächlich abgespielt haben.
Werner gibt (4 von 5 Eselsohren)
Und hier können Sie das Buch bestellen:
– in einer Buchhandlung in Ihrer Nähe
– bei Amazon als Hardcover
– bei Libreka als E-Book.
Alexander Honolds „Nach Olympia. Hölderlin und die Erfindung der Antike“ ist derzeit leider vergriffen.
Der Fälscher als Zeuge
Mit „Die Odyssee des Fälschers“ hat Rüdiger Schaper eine vergnügliche, informative und stilistisch niveauvolle Biografie eines Meisterfälschers geschrieben. Konstantin Simonides hat Zeit seines Lebens im Europa des 19. Jahrhunderts „antike“ Manuskripte verkauft (oder zu verkaufen probiert). Er ist dafür einige Male ins Gefängnis gewandert, was ihn nicht daran gehindert hat, in einer anderen Stadt, in einem anderen Land sein Glück wieder zu versuchen.
Und er hat mit dem Fälschen auch vor seinem eigenen Leben nicht Halt gemacht: Seine wahre Biografie ist inmitten all der Lügen kaum auszumachen. (Er hat über sich selbst sogar ein Buch unter falschem Namen geschrieben.)
Fiktion und Fakten
So ist es bewundernswert, dass Schaper aus den wenigen Fakten und der vielen Fiktion ein anschauliches Porträt von Simonides herausdestilliert hat, bei dem man stets den Eindruck hat: so könnte sich das alles tatsächlich abgespielt haben.
An welchem Ort und in welchem Jahr Simonides auch immer geboren wurde, die Kunst der Manuskriptbearbeitung hat er auf dem Klosterberg Athos erlernt und ist – vielleicht sogar mit einigen echten Manuskripten im Gepäck – über Athen nach Konstantinopel, Paris, Leipzig und London gereist. Selbst seinen Tod hat er noch vorgetäuscht und ist wahrscheinlich nicht 1867 in Alexandria, sondern 23 Jahre später in einem albanischen Kloster gestorben.
Griechische Warlords
Schaper gelingt es außerdem, so manche Legende abzuschwächen. So vergleicht er den Freiheitskampf der Griechen mit gegenwärtigen Unabhängigkeitsbewegungen etwa in Afrika (mit Chaos und Warlords und dergleichen), und das hört sich ziemlich plausibel an. Oder er zeigt, dass die internationale Hilfe schon damals nicht uneigennützig war (heute würde man von einer Plünderung von Kulturgütern sprechen).
Eine blasse Karikatur des Altertums
Was sich mir jedoch nicht erschlossen hat, ist wie Simonides – wie es im Untertitel heißt – die Antike erfunden haben soll. Diese Erfindung ließe sich in Alexander Honolds „Nach Olympia“ schlüssiger nachlesen, wo es etwa heißt, „die Archäologie des 18. Jahrhunderts etabliert sich zunächst nicht als Institution, sondern als Disposition. Nicht als Einrichtung, sondern als Einstellung“. Und: Der Fluchtpunkt der Moderne wäre das Olympia Pierre de Coubertins, eine blasse Karikatur des Altertums, „gemeinsamer Abkömmling der Visionen aus Rugby und Bayreuth“.
Simonides war vielleicht Zeuge dieser Erfindung, doch da seine Fälschungen in der Regel entlarvt worden sind, lässt sich nicht einmal behaupten, dass er dabei mitgeholfen haben könnte.
Dies tut zwar dem Lesevergnügen keinen Abbruch, könnte aber beim Buchkauf doch auf eine falsche Fährte locken.
Von Werner Schuster
– in einer Buchhandlung in Ihrer Nähe
– bei Amazon als Hardcover
– bei Libreka als E-Book.
Alexander Honolds „Nach Olympia. Hölderlin und die Erfindung der Antike“ ist derzeit leider vergriffen.
Rüdiger Schaper, Jahrgang 1959, leitet das Kulturressort des Berliner Tagesspiegel, für den er seit 1999 tätig ist. Zuvor war er zehn Jahre lang Kulturkorrespondent der Süddeutschen Zeitung in Berlin. In früheren Buchveröffentlichungen hat sich Rüdiger Schaper u.a. mit Harald Juhnke (Argon bzw. Fischer TB) und dem Schauspieler Alexander Moissi (Scherz) befasst.
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Toller Artikel. Schadet wohl nicht, sich damit genauer auseinander zusetzen. Ich werde gewiss auch die weiteren Beitraege im Auge behalten.