Woolf, Virginia: Ein eigenes Zimmer
Kurzkritik – Was meinen Sie? – Ausführliche Besprechung – Infos
- Taschenbuch
- Erschienen 1981 bei Fischer
- Aus dem Englischen von Heidi Zerning
- Originalausgabe: „A Room of One’s Own“, 1929
Inhalt:
Mit ihrem berühmten Essay aus dem Jahr 1929 zum literarischen und politischen Feminismus ist Virginia Woolf zu einer Symbolfigur der internationalen Frauenbewegung geworden. Auf ihre ganz eigene, erzählerisch-essayistische Weise untersucht sie Fragen, die sie und ihre Generation bewegten: Warum haben Töchter aus gebildetem Haus nicht die gleichen Möglichkeiten zur Universitätsausbildung wie ihre Brüder? Warum sind Bücher über Frauen fast auschließlich von Männern geschrieben? Hätte Shakespeare eine Schwester gehabt, ebenso begabt wie er, wie wäre es ihr ergangen? Was brauchen Frauen, um ihre Begabungen einsetzen zu können? (Pressetext)
Kurzkritik:
Virginia Woolfs „Ein eigenes Zimmer“ ist einer der meistzitierten Texte der Frauenbewegung. Und gewiss hat man den Satz schon einmal gehört, „eine Frau muss ein Zimmer für sich allein haben“. Dieses Zitat ist unvollständig. Geschrieben hat Woolf 1929 „Eine Frau muss Geld haben und ein Zimmer für sich allein“. (Konkret ist von der Summe von 500 Pfund im Jahr die Rede.)
Es bereitet große intellektuelle Freude, diesen brillant und mit feiner Ironie geschriebenen Essay zu lesen.
Werner gibt (4,5 von 5 Eselsohren)
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Poetische Weißglut
Virginia Woolfs „Ein eigenes Zimmer“ ist einer der meistzitierten Texte der Frauenbewegung. Und gewiss hat man den Satz schon einmal gehört, „eine Frau muss ein Zimmer für sich allein haben“. Dieses Zitat ist unvollständig. Geschrieben hat Woolf 1929 „Eine Frau muss Geld haben und ein Zimmer für sich allein“. (Konkret ist von der Summe von 500 Pfund im Jahr die Rede.)
Der Essay basiert auf zwei Vorträgen, die Woolf 1928 am Girton College und am Newnham College an der Universität Cambridge gehalten hat. Es waren die zwei ersten Colleges in England, die Frauen zum Studium zuließen. Zu Woolfs Zeit durften Frauen hier aber noch keinen Abschluss machen und mussten in abgetrennten Bereichen des Hörsaals sitzen.
Frauen und Fiction
1919 hatten Frauen in Großbritannien das allgemeine Wahlrecht und freie Berufswahl erlangt. Allmählich war es ihnen möglich, Literatur zu verfassen oder Wissenschaft zu betreiben, ohne dafür sozial geächtet zu werden.
Woolf war eingeladen worden, über das Thema „Frauen und Fiction“ zu sprechen. (Im Englischen gibt es – im Gegensatz zum Deutschen – die Unterscheidung zwischen sogenannter „höherer“ und „Unterhaltungs“-Literatur nicht; mit Fiction ist jede Art von erzählender Prosa gemeint.)
Oxbridge
Woolf beginnt ihren Essay mit einem fiktiven Spaziergang über den Campus von „Oxbridge“ (aus Cambridge und Oxford). Man gewährt ihr keinen Zugang zur Bibliothek. Danach beobachtet sie das üppige Mahl im Männercollege – und das kärgliche im fiktiven (von geringeren Spenden finanzierte) Frauencollege „Fernham“.
Woolf führt aus, dass männliche Schriftsteller im Gegensatz zu weiblichen auf eine lange Reihe von Vorbildern zurückblicken konnten. Sie erfindet eine Schwester von William Shakespeare: Eine gleichermaßen begabte Judith Shakespeare hätte nicht die Chance bekommen, aus ihrem Talent etwas zu machen.
2028
Woolfs schlägt eine Erforschung der weiblichen Literaturgeschichte vor und würdigt selbst die Schriftstellerinnen Margaret Cavendish, Dorothy Osborne und Aphra Behn über Emily Brontë, Christina Rossetti und Jane Austen bis hin zu ihrer Zeitgenossin Marie Stopes, die unter dem Pseudonym Mary Carmichael schrieb.
Gebt ihre ein Zimmer für sich allein und fünfhundert im Jahr, lasst sie sagen, was sie denkt, und die Hälfte weglassen von dem, was sie jetzt hineinpackt, und sie wird eines Tages ein besseres Buch schreiben. Sie wird eine Dichterin sein (…) – in hundert Jahren.
Denn allen bis auf Austen würde man die Unterdrückung, den Zwang zur Anpassung und den daraus resultierenden Zorn anmerken. Wirklich herausragende Literatur müsse jedoch frei von Parteilichkeit sein, um zur poetischen „Weißglut“ des schöpferischen Geistes zu gelangen.
Gilt auch für Männer
Dies gilt selbstverständlich immer noch und auch für Männer. Von da her ist „Ein eigenes Zimmer“ – außer als historisches und als Zeitdokument (und zur Überprüfung, was sich beinahe 80 Jahre nach der Entstehung in welchem Maß geändert hat) – auch als ein Werk über die generellen Aufgaben von Literatur und über ihre Bedingtheiten zu rezipieren.
Abgesehen davon, dass es große intellektuelle Freude bereitet, diesen brillant und mit feiner Ironie geschriebenen Essay zu lesen.
Von Werner Schuster
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Virginia Woolf wurde am 25. Januar 1882 in London geboren und wuchs im großbürgerlichen Milieu des viktorianischen England auf. Ihr Leben lang litt sie unter wiederkehrenden psychischen Krisen. 1912 heiratete sie Leonard Woolf. Zusammen gründeten sie 1917 den Verlag „The Hogarth Press“. Ihr Haus war eines der Zentren der Künstler und Literaten der Bloomsbury Group. Am 28. März 1941 nahm Virginia Woolf sich, erneut bedroht von einer Verdunkelung ihres Gemüts, das Leben.
Mehr über Virginia Woolf bei Wikipedia.
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