Shalev, Meir: Meine russische Großmutter …
Kurzkritik – Was meinen Sie? – Ausführliche Besprechung – Infos
- … und ihr amerikanischer Staubsauger
- Hardcover
- 281 Seiten
- Erschienen 2011 bei Diogenes
- Aus dem Hebräischen von Ruth Achlama
- Originalausgabe: „Ha Davar Haja Kacha“, 2009
Inhalt:
Die wahre und unglaubliche, aberwitzige und traurige Geschichte von Meir Shalevs Großmutter Tonia und dem Staubsauger, den ihr Schwager ihr aus Amerika geschickt hat. Aufgezeichnet von ihrem schelmischen, liebenden, staunenden Enkel. (Pressetext)
Kurzkritik:
In diesem Buch über Shalevs Familie ist keine Spur von Groll oder Überheblichkeit und dergleichen zu finden, sondern nur Liebe. Shalev scheint nichts zu beschönigen, er stellt sich weder naiv noch kindlich – und doch wirkt alles bezaubernd.
Werner gibt (4,5 von 5 Eselsohren)
Und hier können Sie das Buch bestellen:
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Liebevolle Erinnerungen
Mit diesem Buch voller liebevoller Erinnerungen führt uns der israelische Schriftsteller Meir Shalev ins Palästina der britischen Mandatszeit. Dort war dem jüdischen Volk 1917 die Gründung einer nationalen Heimstätte versprochen worden. (Der Staats Israel wurde ja erst 1948 gegründet.)
Zwischen 1903 und 1914 waren über 35.000 Juden vor allem aus Russland und Polen eingewandert und hatten dort die moderne ArbeiterInnenbewegung gegründet. Von diesen handelt Shalevs Buch – und davon, dass zwischen 1903 und 1914 mehr als eine Million Juden aus Osteuropa in die USA emigrierten.
Es ist kein politisches Buch. „Meine russische Großmutter und ihr amerikanischer Staubsauger“ handelt von ImmigrantInnen, welche in der Jesreelebene Sümpfe trockenlegen, und ihren Eigenarten.
Putzsucht
Großmutter Tonias hervorstechendste Eigenschaft ist ihre Putzsucht – inmitten einer staubigen und schlammigen Gegend. Zum Beispiel lässt sie ihre Töchter erst in die Schule, wenn sie ihr beim Saubermachen geholfen haben, oder holt sie auch vor Unterrichtsschluss ab, damit sie ihr helfen. Weiters ist es undenkbar, sich im Haus zu waschen, – dazu wird man von Tonia zur Dusche in den Kuhstall (!) geschickt. Und BesucherInnen werden erst gar nicht ins Haus hineingelassen.
Auf Tonias Schwager wird, weil er in den USA lebt und nicht in Palästina schuftet, von den SiedlerInnen herabgesehen, seine Geschenke werden ihm zurückgeschickt. Nur jener Staubsauger ist dafür zu groß. Er landet schließlich, gut verpackt, in einer Kammer.
Die Wahrheit in Geschichten erzählen
Mit virtuoser Beiläufigkeit (hinter der sich kompositorische Meisterschaft verbirgt), erzählt Shalev rund um diesen Staubsauger seine Familiensaga in mehreren Versionen. Und jede davon ist richtig. „Denn das ist wichtig: Der Wahrheit treu bleiben, auch wenn sie einem nicht die Treue hält, (…) sie in Geschichten erzählen und diese gründlich prüfen, immer wieder, bis sie richtig sind (…).“
Mit zärtlichem Humor berichtet Shalev auch von den weniger erfreulichen Geschehnissen und den weniger sympathischen Eigenschaften. Ein paar von diesen Eigenschaften werden eine/n an die eigenen Familienangehörigen erinnern und man mag sich vielleicht fragen, ob und wie man Shalevs Güte und Gelassenheit erreichen könnte.
Bezaubernd trauern
Zumindest in diesem Buch ist bei ihm keine Spur von Groll oder Überheblichkeit und dergleichen zu entdecken, sondern nur Liebe. Er scheint nichts zu beschönigen, er stellt sich weder naiv noch kindlich – und doch wirkt alles bezaubernd.
Auch jene Szene, als die Familie nach Tonias Begräbnis in ihr Haus eindringt. Man reißt die Schutztücher von den Möbeln und Tonias Töchter beginnen im Bett herumzuspringen, wie um einen Teil ihrer Kindheit nachzuholen. Dann umarmen sie sich, herzhaft über den Tod ihrer Mutter weinend.
Von Werner Schuster
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Meir Shalev, geboren 1948 in Nahalal (Israel). Neunzehn Jahre alt waren er und sein Land, als er in den Sechstagekrieg zog. Auf einem Patrouillengang wurde er von vier Kugeln getroffen – ein Versehen der eigenen Leute. Meir Shalev setzte sich nach dem Krieg für die Rückgabe der besetzten Gebiete ein und schrieb mit „Ein Russischer Roman“ seinem Land und dessen Siedlern eine Liebeserklärung.
Bei Wikipedia: Mehr über Meir Shalev, Palästina und Alija (Einwanderungswellen nach Palästina).
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