30/06/2011von 1.864 Views – 0 Kommentare

Munro, Alice: Zu viel Glück 6–10

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Buchcover Munro Zu viel Glueck

  • Hardcover
  • 368 Seiten
  • Erschienen 2011 bei Fischer
  • Aus dem Englischen von Heidi Zerning
  • Originalausgabe: „Too much happiness”, 2009


Inhalt:

Zuviel oder zuwenig – für das Glück gibt es kein Maß, nie trifft man es richtig. Alice Munros Heldinnen und Helden geht es nicht anders, aber sie haben das Zuviel und Zuwenig erlebt: Sie kennen die Namen der Bäume, die Last ungeschriebener Briefe. Sie wissen, wie es sich anfühlt, wenn man den Mann, der die gemeinsamen Kinder getötet hat, in der Anstalt besucht. (Pressetext)

Kurzkritik:

Bei aller Begeisterung finde ich es schade, dass Alice Munroe einige dieser Erzählungen mir unverständlich enden lässt. Da liest man sich so wunderbar ein in die Beschreibung eines Menschen und dann wird eine Veränderung dieser Figur oder ihrer Lebensumstände angedeutet, aber eben nur angedeutet.

Zur Besprechung der ersten fünf Erzählungen

Werner gibt  ★★★★½  (4,5 von 5 Eselsohren)

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Besprechung:

Andeutungen

Bei aller Begeisterung finde ich es schade, dass Alice Munroe einige dieser Erzählungen mir unverständlich enden lässt. Da liest man sich so wunderbar ein in die Beschreibung eines Menschen und dann wird eine Veränderung dieser Figur oder ihrer Lebensumstände angedeutet, aber eben nur angedeutet.

Wenn man nicht versteht, was da angedeutet wird, fragt man sich natürlich unweigerlich, ob man nicht etwas überlesen haben könnte. Aber auch bei mehrmaligem Lesen weiß ich nicht, warum mir Munro die Geschichte von Roy erzählt hat („Holz“), einem Polsterer und Möbelrestaurator, der auch davon lebt, dass er Bäume fällt und zu Brennscheiten zusammenschneidet, während seine Frau irgendeine Krankheit zu haben scheint, die sie apathisch werden ließ.

Aber wenn sich jemand verändert …

Als er im Wald einen Unfall hat, kommt sie ihn – obwohl uninformiert – überraschender Weise retten. Dann fährt sie ihn ins Krankenhaus (erstmals – und geschickt – mit seinem großen Lieferwagen). Währenddessen sucht er nach einem bestimmten Wort und als es ihm einfällt („Forst“) endet die Geschichte.

Wieso wusste sie von seinem Unfall? Und was hat sie aus ihrer Apathie geweckt? – Ich komme nicht drauf.

Nun muss ja eine Erzählung nicht dramatisch sein, es muss sich auch gar nichts und niemand verändern, aber wenn sich jemand verändert, dann würde ich gerne mehr darüber wissen, wie und warum.

Hässliches Muttermal

Es muss auch nicht immer so expliziert zugehen wie in „Kinderspiel” über ein behindertes Mädchen (– aber darüber zu schreiben ist schwer, wenn man die Pointe nicht verraten will).

„Gesicht” ist die einzige der zehn Erzählungen in diesem Band mit einem männlichen Protagonisten. Der hat von Geburt an ein großes, hässliches Muttermal im Gesicht und lernt, damit zu leben, so gut das eben geht. Wenn mir diese Geschichte auch zu fatalistisch endet, so zeigt sie doch Munros Meisterschaft im Aufbau, in der Perspektivenwahl, im knappen, die Phantasie anregenden Beschreiben und im Wissen, was man dabei alles weglassen kann.

Die Masseuse seiner Schwiegermutter

Ebenso „Manche Frauen“, in der sich eine alte Frau daran erinnert, wie sie als 13-Jährige einen an Leukämie Erkrankten pflegte, wenn dessen Frau arbeiten ging. Ob ihn die Masseuse seiner Schwiegermutter umgarnt oder bloß versucht, noch ein wenig Freude in sein Leben zu bringen, wird nicht klar gesagt, aber das stört (mich) in diesem Fall nicht. (Ich muss nicht alles wissen, mag mich nur auskennen.)

Die Titelgeschichte hat mich jedoch ein wenig enttäuscht. Vielleicht liegt das daran, dass Munro hier nicht erfunden hat (falls sie das sonst überhaupt macht), sondern das Leben einer vergessenen, bedeutenden Mathematikerin nachzeichnet. Nun, hauptsächlich ihre letzten Tage – mit Reminiszenzen an ihre Erfolge, Misserfolge, Freud und Leid.

Kein Schema F

Doch das bleibt alles seltsam blass – und gewöhnlich. Vielleicht weil Munro hier ein doch eher konventionelles Erzählschema benutzt, während sie sich sonst eines wohl nur scheinbar zufälligen Aufbaus bedient (und sich damit von den vielen erfolgreichen Schreibkurs-TeilnehmerInnen unterscheidet, die wenig mehr als das Schema F beherrschen).

Ich hoffe, man missversteht mich nicht: Munro schreibt grundsätzlich großartig. Dies hier sind bloß Anmerkungen, die, so hoffe ich, ihrem hohen Niveau entsprechen.

Von Werner Schuster

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Infos:

Zur Besprechung der ersten fünf Erzählungen

Das meinen andere (Perlentaucher-Rezensionsnotizen).

Alice Munro, die 1931 in Ontario geboren ist, gehört zu den bedeutendsten Autorinnen der Gegenwart und gilt seit Jahren als Kandidatin für den Literaturnobelpreis. Mit ihrem umfangreichen erzählerischen Werk – sie hat 13 Erzählungsbände und einen Roman veröffentlicht – ist sie Bestsellerautorin in ihrem Heimatland Kanada und der gesamten angelsächsischen Welt. Munro wurde mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet, zuletzt 2009 mit dem Man Booker International Prize. Alice Munro lebt in Ontario und in British Columbia.

Mehr über Alice Munro bei Wikipedia.

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