Eichborn: Aus im nächsten Jahr?
Der Eichborn-Verlag schafft vielleicht nur noch sein Herbstprogramm
(dpa) – Der insolvente Eichborn-Verlag wird seinen Betrieb ohne ein verbessertes Übernahme-Angebot im Sommer nächsten Jahres einstellen. Der Verlag teilte am Mittwochabend in Frankfurt mit, die derzeit beste Möglichkeit sei, wenn der Insolvenzverwalter die Firma limitiert fortführe.
Der vorläufige Gläubigerausschuss habe das Angebot des Aufbau-Verlegers Matthias Koch abgelehnt, sagte Insolvenzverwalter Holger Lessing der Nachrichtenagentur dpa in Frankfurt. „Das wäre einer Verschleuderung gleichgekommen.“
„Wir sind noch da“
Eichborn werde noch sein Herbstprogramm herausbringen, das Frühjahrsprogramm aber schon nicht mehr. Auf der Buchmesse werde der Verlag präsent sein und das Signal aussenden: „Wir sind noch da“.
Seit seiner Gründung im Jahr 1980 gehörte Eichborn mit seinem bunt-frechen Programm zu den schillerndsten Verlagen in Deutschland. Das Programm spannte sich zwischen Kunst und Kommerz, Autoren wie Walter Moers oder Sven Regener zählten zu den Schriftstellern des Frankfurter Hauses, haben es inzwischen aber verlassen.
Aus mit Juli 2012?
Sollte das Angebot nicht nachgebessert werden oder kein neues eingehen, bedeute dies das Aus für den Verlag Ende Juni 2012, sagte Lessing. „Solange der Geschäftsbetrieb läuft, gibt es Hoffnung, aber es wird von Tag zu Tag schwieriger.“ Einige der gut 30 Verlagsmitarbeiter müssten voraussichtlich bereits zum Jahresende gehen. Am 18. Oktober werde die Gläubigerversammlung in Frankfurt zusammentreten.
Einziger börsennotierter Publikumsverlag
Eichborn hatte Mitte Juni wegen drohender Zahlungsunfähigkeit Insolvenz beantragt. Am 1. September war das Verfahren eröffnet worden. Eigentlich sollte Eichborn am 1. Juli nach der Anfang des Jahres beschlossenen Fusion mit dem Aufbau Verlag in Berlin-Kreuzberg einziehen. Aufbau-Verleger Matthias Koch war mit der Fusion auch zum Mehrheitseigentümer der Eichborn AG geworden.
Meinungen und Hintergründe:
Die taz glaubt zu wissen: „Die bei Eichborn erscheinende renommierte ,Andere Bibliothek‘ wird künftig wohl bei einem anderen Verlag herauskommen.“
Und: „Eichborn wird in die Geschichte eingehen: aber nicht mehr als verlegerisches Zukunftsmodell, sondern als ein eine Zeit lang sehr schön zwischen Hochkultur und Gimmick-Kommerz schillernder Laden, der es aber am Schluss endgültig nicht mehr hingekriegt hat, die nötige Kreativität auf Dauer zu halten.“
(Anmerkung: das glauben wir hier bei den Eselsohren nicht. Zum Beispiel das Herbst-2011-Programm von Eichborn ist phänomenal. – Wir sehen die Schuld am möglichen Niedergang eher beim Management.)
Zum taz-Artikel Bruchlandung einer Fliege*
2003 meinte der langjährige Alleinvorstand Matthias Kierzek: „Der (1980 gegründete) Verlag hat in den ersten 20 Jahren seiner Existenz insgesamt keine Gewinne gemacht, weil die Gewinne aus den guten Jahren von den Verlusten in den schlechten Jahren ausgeglichen wurden.“
Im Jahr 2000 ging Eichborn als einziger einziger Publikumsverlag in Deutschland an die Börse, um sich seine Unabhängigkeit zu bewahren. Und Kierzek gab (gegenüber brand eins selbst zu, dass er die sechs Millionen aus dem Börsengang schlecht investiert hat. – Alle damals zugekauften Tochtergesellschaften hatten nicht nur Verluste gemacht, sondern auch fast nichts zur Umsatzsteigerung beigetragen.
Zum brand eins-Artikel Das Ende der Jugend*
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- von: red
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Eichborns Siechtum, eine interessante Analyse der Einborn-Insolvenz von der NZZ.