Gaponenko, Marjana: Wer ist Martha?
Kurzkritik – Was meinen Sie? – Ausführliche Besprechung – Infos
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Inhalt:
Wer Martha ist, wird hier nicht verraten, aber über Luka Lewadski kann Folgendes gesagt werden: Ornithologe aus der Ukraine und Verfasser der bahnbrechenden Studie „Über die Rechenschwäche der Rabenvögel“. Über seinen Forschungen ist er in die Jahre gekommen und 96 geworden. Viel Zeit bleibt nicht mehr, sagt der Arzt. Und die will gut genutzt sein, sagt sich Lewadski. Also reist er nach Wien, steigt im noblen Hotel Imperial ab und lernt im Fahrstuhl einen Altersgenossen kennen. Wie die beiden Alten aus der Muppet Show in ihrer Loge sitzen die zwei beim Früchte-Wodka in der Hotelbar, kommentieren die Frisuren der Damen, rekapitulieren das mörderische vergangene Jahrhundert und träumen von der Revolution. Und langsam wird Lewadski das Geld zum Sterben knapp. (Pressetext)
Kurzkritik:
Zwei sehr alte Männer sitzen in einer Hotelbar, reden über Gott und die Welt – und lästern über die anderen Gäste. – Das wird uns mit „Wer ist Martha?“ versprochen, doch der Roman bietet erheblich mehr.
In jenen Abend an der Hotelbar schleicht sich die Autorin selbst in ihren Roman hinein:
„Ich schreibe an einem Buch über einen alten Mann“, erzählt die junge Dame mit dem Kosmonautencocktail dem Barmann. „Ein einsamer, alter Mann kehrt zurück in die Stadt seiner Kindheit, um dort zu sterben, so dass sich der Kreis schließt.“
Ja, der Kreis schließt sich. Und was alles in diesen Kreis hineinpasst – oder in diesen Roman, der vom (erfüllten?) Leben und vom (würdevollen?) Sterben handelt –, ließe sich wohl nur mit der Zahl Pi berechnen.
Werner gibt (4,5 von 5 Eselsohren)
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Die Fläche des Kreises
Zwei sehr alte Männer sitzen in einer Hotelbar, reden über Gott und die Welt – und lästern über die anderen Gäste. – Das wird uns mit „Wer ist Martha?“ versprochen, doch der Roman bietet erheblich mehr.
Es beginnt damit, dass beim 96-jährigen Ornithologen Luka Lewadski Krebs diagnostiziert wird. In einer gerechtfertigten Torschlusspanik kleidet sich der Einsiedler und Eigenbrötler neu ein, packt ein paar seiner Sachen und verlässt seine Heimat, die Ukraine. Geld hat er bisher nie viel ausgegeben, also verfügt er über ein ansehnliches Sümmchen, – fährt nach Wien und mietet sich in einer teuren Suite im Hotel Imperial ein. Um aus der dort befindlichen Badewanne wieder aussteigen zu können, mietet er sich einen persönlichen Butler.
Mit Herrn Witzthurn in den Musikverein
Dessen Dienste beansprucht Luka bald täglich – auch als Ansprechperson. Habib besorgt ihm schließlich auch Tickets für ein Konzert im Musikverein, nachdem Luka den ungefähr gleichaltrigen Herrn Witzthurn kennengelernt hat und diesen einladen möchte.
Als sie zurückkehren, ist im Hotel der Strom ausgefallen. Und jetzt setzen sie sich – auch weil sie nicht Treppensteigen können oder wollen – an die Bar und betrinken sich mit Cocktails. Nach der Abreise von Herrn Witzthurn wartet Luka auf den Tod.
Animierend
Diese knappe Inhaltsangabe wird dem Buch nicht gerecht. Gaponenko hat zwar einen amüsanten, aber keinen Feelgood-Roman geschrieben. Er handelt nicht von alten Menschen, die super drauf sind, oder davon, dass das Alter eh schön ist.
„Wer ist Martha?“ reißt viele Themen an, ohne sie genauer auszuführen. Sie animiert die LeserInnen, dies für sich selbst zu tun. Wir erfahren ein wenig von Lukas Kindheit in Südrussland, dem Selbstmord seines Vaters (ebenfalls ein Ornithologe), dem Umzug mit seiner Mutter nach Wien (inklusive Musikvereins-Besuche mit den dort lebenden Tanten), der Rückkehr nach Galzien/Polen, dem Studium, der Flucht vor den Russen in ein tschetschenisches Gebirgsdorf, der Flucht vor den Deutschen zurück in die Ukraine (beide Male seine Mutter begleitend), seiner wissenschaftlichen Laufbahn, seiner Leidenschaft für Vögel, seinem Erfolg als Wissenschaftler.
Luka mögen lernen
Das erzählt uns Gaponenko; Luka selbst gibt in seinen Gesprächen mit Habib und Herrn Witzthurn nichts Konkretes über sich preis, kommentiert lieber knapp ihre Aussagen und Berichte. Dennoch bekommt man schon bald eine Vorstellung davon, wer dieser Mensch ist. Und lernt ihn mögen, obwohl er keine besonders nette Erscheinung ist. Während quasi im Hintergrund ein Jahrhundert Geschichte abläuft, allerdings ebenfalls nur angedeutet.
Diese Andeutungen sind allerdings gut recherchiert: Wien, Musikverein und das Hotel Imperial sind authentisch beschrieben; deshalb vertraue ich darauf, dass die ornithologischen Angaben ebenfalls stimmen (– die Aussagen über Musik sind jedenfalls sehr kenntnisreich). Und wie sich die gut 30-jährige Gaponenko in einen sehr alten, dem Tode nahen Menschen hineinversetzen kann, ist phänomenal.
„So dass sich der Kreis schließt“
In jenen Abend an der Hotelbar schleicht sich die Autorin selbst in ihren Roman hinein:
„Ich schreibe an einem Buch über einen alten Mann“, erzählt die junge Dame mit dem Kosmonautencocktail dem Barmann. „Ein einsamer, alter Mann kehrt zurück in die Stadt seiner Kindheit, um dort zu sterben, so dass sich der Kreis schließt.“
Ja, der Kreis schließt sich. Und was alles in diesen Kreis hineinpasst – oder in diesen Roman, der vom (erfüllten?) Leben und vom (würdevollen?) Sterben handelt –, ließe sich wohl nur mit der Zahl Pi berechnen.
Von Werner Schuster
– in einer Buchhandlung in Ihrer Nähe
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Marjana Gaponenko wurde 1981 in Odessa (Ukraine) geboren. Sie nahm privaten Sprachunterricht und schreibt seit ihrem sechzehnten Lebensjahr auf Deutsch. Nach Aufenthalten in Krakau und Dublin lebt sie heute in Mainz. Ihr Romandebüt „Annuschka Blume“ erschien 2010. „Wer ist Martha?“ ist ihr erstes Buch im Suhrkamp Verlag.
Mehr über Marjana Gaponenko bei Wikipedia.
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- von: Werner
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