19/01/13: Im Vollbesitz
An einem Samstagmorgen von alleine um 6 Uhr aufwachen, Eva und Flora schlafen selbstverständlich noch, und in Köhlmeiers neuem Buch, „Die Abenteuer des Joel Spazierer“, weiterzulesen, – das ist Glück, irgendwie.
Ich freue mich auf das Interview, das ich mit Köhlmeier machen werde, wahrscheinlich. Ich „kenne“ ihn schon lange. 1994, da war er noch nicht so bekannt, habe ich ihn für ein Magazin interviewt. Davor war mir eingefallen, dass ein guter Freund ein großer Fan von Köhlmeier ist (er hatte alle bis dahin erschienenen Bücher gelesen), und ich habe mir gedacht, vielleicht ist es interessanter, die beiden zusammenzubringen und ihr Gespräch aufzuzeichnen. Vielleicht hätte ich das Interview nicht im Konjunktiv wiedergeben sollen, aber grundsätzlich gefällt es mir immer noch („Die Trisektionisten“).
Ein Jahr später habe ich bei der Linzer Klangwolke eine 24-Stunden-Lesung der „Odyssee“ organisiert: SchriftstellerInnen lasen von Sonnenaufgang bis Sonnenaufgang je einen Gesang daraus. Ich habe Köhlmeier angerufen und ihm das vorgeschlagen. Er war Feuer und Flamme. Schließlich schrieb er gerade an seinem „Telemach“. – Wie die anderen SchriftstellerInnen saß er dann, ich glaube um 2 Uhr nachts, auf einer Zille, die eben der Donau aufgebockt war, und las. Es waren kaum Leute da um zuzuhören, aber das war ihm egal. Er fand es großartig, allein da in dem Boot, in der Nacht, neben der Donau.
Ich auch. Ich bin sogar in die Premierenfeier hineingeplatzt, um den Leuten zu sagen, dass Köhlmeier gerade lese, aber die haben mich nur indigniert angeschaut. Bis auf den Klangwolken-Regisseur, Hans Hoffer, der sah irgendwie wohlwollend-amüsiert drein.
Jetzt sind Köhlmeier und ich beide knapp 20 Jahre älter, aber ich möchte ihn nicht fragen, wie er seither gelebt hat, sondern eigentlich nur zu seinem neuen Buch. Wie er den geschrieben hat. Vielleicht noch: Wann er bemerkt hat, dass er nun im Vollbesitz seiner schriftstellerischen Kräfte war.
Oder soll ich wieder meinen Freund mit ihm reden lassen?