08/02/2013von 513 Views – 0 Kommentare

Demokratie?


Eine Debatte

Mit Beiträgen von Giorgio Agamben, Alain Badiou, Daniel Bensaïd, Wendy Brown, Jean-Luc Nancy, Jacques Rancière, Kristin Ross und Slavoj Žižek
Taschenbuch
137 Seiten
Erschienen 2012 bei Suhrkamp

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Inhalt:

Zu Beginn des dritten Jahrtausends ist die Situation der Demokratie paradox: Einerseits sind mehr Staaten denn jemals zuvor demokratisch verfaßt, andererseits nehmen die Krisensymptome in den Staaten, die einstmals so etwas wie eine demokratische Avantgarde bildeten, zu. In diesem Band setzen sich nun acht herausragende politische Denkerinnen und Denker mit dem Zustand und den Perspektiven der „am wenigsten schlechten aller Regierungsformen“ (Winston Churchill) auseinander (Pressetext)

Kurzkritik:

Ist Demokratie so beschaffen, wie Slavoj Žižek meint: „Die Machthabenden tun höflich so, als hätten sie nicht wirklich die Macht, und bitten uns, frei zu entscheiden, ob wir sie ihnen geben wollen“?

Werner gibt  ★★★★☆  (4 von 5 Eselsohren)

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Besprechung:

Entdemokratisierungsprozesse

Ist Demokratie so beschaffen, wie Slavoj Žižek meint: „Die Machthabenden tun höflich so, als hätten sie nicht wirklich die Macht, und bitten uns, frei zu entscheiden, ob wir sie ihnen geben wollen“?

Ich habe einmal einen Juristen sehr zum Lachen gebracht, weil ich zu ihm gesagt hatte, ich sei der Meinung, das Gesetz sei etwas Stabiles, gewissermaßen in Stein Gemeißeltes. Und ich habe dies bis vor Kurzem auch über die Demokratie gedacht: Jede/r weiß doch, was Demokratie ist, ist meine Meinung gewesen.

Nun sehe auch ich diese Demokratie in Gefahr. Nicht nur, weil die Wahlbeteiligung sinkt, weil aus Wahlkämpfen Marketingkampagnen geworden sind, weil sich Politik immer mehr angeblichen Wirtschaftszwängen unterordnet usw. Um mir die Gründe auch dafür erklären zu lassen, habe ich dieses Buch gelesen.

Fragil

Und war nicht nur erstaunt darüber, was ich mir alles als demokratisch verkaufen habe lassen, sondern auch, wie fragil diese Regierungsform schon von ihrer Definition her ist. Wenn ich die acht WissenschaftlerInnen richtig verstanden habe, ist Demokratie per se ein Ding der Unmöglichkeit.

Nun kann ich nicht mit einem Philosophie-Studium aufwarten und so auch nicht den Ausführungen in diesem Buch von Grund auf folgen (oder sie kritisch durchleuchten). Ich kann also nur Daniel Bensaïd zitieren, der wiederum Bourdieu zitiert (und wer weiß, auf den dieser sich beruft): „Die fundamentale, quasi metaphysische Frage lautet, was es heißt, für Leute zu sprechen, die nicht sprechen würden, wenn man nicht für sie spräche.“ Oder Slavoj Žižek: „Die Machthabenden tun höflich so, als hätten sie nicht wirklich die Macht, und bitten uns, frei zu entscheiden, ob wir sie ihnen geben wollen“.

Verständlich

Ich muss jedoch festhalten, dass die meisten Artikel verständlich geschrieben sind. Es sind allerdings auch eher Polemiken und keine wissenschaftlichen Abhandlungen. Und so findet man in „Demokratie?“ auch Hinweise auf „Konkretes“:
– Man lässt nach einem fragwürdigen Wahlergebnis die Stimmen nicht nochmals auszählen (USA 2000 und 2004).
– Man lässt so lange abstimmen, bis das gewünschte Ergebnis erzielt wird (was etwa beim irischen Referendum über die Europäische Verfassung nicht so recht geklappt hat).
– Man führt Ausnahmezustände (etwa gegen die terroristische Bedrohung) ein, die von der Bevölkerung stillschweigend hingenommen werden.
– Man klagt tunesische Fischer der Beihilfe zur illegalen Einwanderung an, weil sie afrikanischen Migranten das Leben gerettet haben.

Selbstverständlich?

Doch darüber hinaus liefert dieses Buch Denkanstöße für Menschen, die Demokratie als selbstverständlich ansehen und die immer noch glauben, damit sei ein Wohlfahrtsstaat gemeint und nicht zum Beispiel die „gesetzgeberische Förderung des Konkurrenzindividualismus auf Kosten des Sozialen“ (Bensaïd).

Und auch wenn einige AutorInnen darlegen, dass Demokratie im Prinzip nicht funktionieren kann, so hält das Wendy Brown nicht davon ab, Entdemokratisierungsprozesse aufzuzählen. Etwa dass Gerichte dazu übergegangen sind, „nicht mehr zu entscheiden, was verboten ist, sondern was getan werden muss.“ Und das auf einer, wie ich mittlerweile weiß, unsicheren Basis.

Von Werner Schuster

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Mehr über Demokratie bei Wikipedia.

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