Ammern, Mark: Papageno in Parga
Novelle
E-Book
63 Seiten
Erschienen 2013 bei AutorenVerlag Matern
Kurzkritik – Was meinen Sie? – Ausführliche Besprechung
Inhalt:
Der Opernsänger Robert ist gezwungen, eine Auszeit zu nehmen. In der Konfrontation mit Ereignissen und Umständen, die ihm beinahe das Leben gekostet hätten, sucht er nach Gründen und einem Weg, der aus der erlebten Geschichte um einen Schlaganfall führt. Seine Inszenierung umfasst Erinnerungen, Projektionen als auch Recherchen, macht vor einem außer Kontrolle geratenden Kreislauf, ebenso vor aufkommenden Angst- und Panikattacken nicht halt. (Pressetext)
Kurzkritik:
Ein Text, der den LeserInnen sehr viel Interpretationsraum lässt und diese sanft auffordert, die Geschichte fertig zu spinnen und in die Personen selbst Erlebtes „hineinzulesen“.
Werner gibt (3,5 von 5 Eselsohren)
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Besprechung:
Heraus- und hineinlesen
Die habe bei der ersten Lektüre übersehen. Und so einen Text gelesen, der von einem Mann handelt, der sich nach einer gescheiterten Liebe und einem Schlaganfall eine Auszeit genommen hat. Mir war nicht ganz klar, ob die Ex-Freundin von Robert nun Bernice oder Verena heißt und ob Schlaganfall und Beziehung in Zusammenhang stehen, aber sonst habe ich versucht, mir aus den kurzen Szenen, die in Deutschland und Griechenland spielen, eine Geschichte zu „basteln“.
Zu wissen glauben
Es war faszinierend: Kaum glaubte ich zu wissen, wie die Ex oder wie die Beziehung gewesen war, wurde ich auch schon wieder verunsichert. Aber so geht es ja im wirklichen Leben auch zu: Welche Ereignisse tatsächlich etwas bewirken und wie viel die Reaktionen der Mitmenschen mit einem/einer selbst zu tun haben, weiß man selten.
Jedenfalls habe ich erfahren, dass der Mann Robert heißt und Opernsänger ist und dass er gerne herausfinden möchte, warum er besagten Schlaganfall hatte und warum seine Beziehung nicht funktioniert hat. Der Schauplatz wechselt zwischen Essen und Parga hin und her, von seinem Berufsalltag erfährt man wenig, in Griechenland durchwacht er die Nächte. Er lernt einen Theologen kennen, mit dem er über Religion und Esoterik spricht, und versucht, in einer Art Internetcafé mehr über seine Ex herauszufinden.
Sicher sein
Ob diese Ex nun ebenfalls Sängerin und/oder Internet-Expertin ist, wurde mir nicht klar. Den Abschnitt mit der Fernseh-Doku über den Nahen Osten und der Göttin Eris konnte ich mit dem Rest der Geschichte nicht in Beziehung setzen, doch als ihm am Schluss ein Therapeut rät, sein Leben nicht aufs Spiel zu setzen, indem er eine Begegnung mit seiner Ex riskiert, war ich mir sicher, dass Robert Beziehungs-Ende und Schlaganfall zusammenhängen.
„Papageno in Parga“, dachte ich, ist ein Text, der den LeserInnen sehr viel Interpretationsraum lässt und diese sanft auffordert, die Geschichte fertig zu spinnen und in die Personen selbst Erlebtes „hineinzulesen“.
Alternativen
Bei der zweiten Lektüre sah ich dann, dass „Robert nicht zugleich in Parga und in Essen gewesen sein kann”, dass ich es also mit alternativen Handlungsverläufen zu tun habe. Dieser Hinweis hat mir in meinem Verständnis der Novelle nicht weitergeholfen, weil es für mich am Ergebnis von Roberts Erinnerungen und Projektionen nichts ändert.
Und ich bin mir nicht sicher, ob KünstlerInnen Anleitungen geben sollten, wie ihre Werke zu konsumieren seien. Nicht, weil sich alles von selbst erklären muss, sondern weil sie ihrem Publikum die Möglichkeiten beschneiden, sich ihre Werke anzueignen und darin vielleicht sogar etwas anderes zu sehen, als ursprünglich gemeint war.
Im Falle von „Papageno in Parga“ macht es aber, glaube ich, keine Unterschied, ob man von den alternativen Handlungen weiß oder nicht. Der Reiz der Offenheit und Vielschichtigkeit wurde für mich dadurch jedenfalls weder gemindert noch verstärkt.
Von Werner Schuster
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- von: Werner
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Druckversion
Mich hat die Interpretation, die Geschichte sei vom Leser zu Ende zu erzählen, zugleich verwirrt als auch gereizt. Das Sonderbare an der Novelle ist meinem Eindruck nach, dass es in ihr gar nicht um eine Geschichte geht, um einen Plot, wie das für klassische Novellen eigentlich typisch ist. Im Mittelpunkt steht die Suche nach Gründen für einen Schlaganfall, die Suche, zumal auch die Ärzte keine Antwort haben! Diese ‘verrückte’ Novelle erfordert gar keine Geschichte, sie kommt ohne aus, entwickelt Szenen und Handlungsabläufe in Griechenland (Parga) und in Deutschland (Essen), die entweder der Suche dienen, oder sich aus ihr ergeben. Ich hatte das Gefühl, über Bruchglas zu sitzen, das viel eher der Lebenssituation der Hauptperson entspricht. Diesem Bild folgt auch die Namensgebung der Figuren.
Die beiden Handlungsorte, Parga am Acheron und Essen an der Ruhr, kommen beide im Frühling des selben Jahres ins Spiel. Klar, dass dies nicht zugleich möglich ist. Dennoch ergänzen sich die jeweiligen Handlungen bei der Suche nach den Gründen. Internet-Recherchen finden in Griechenland statt, während in Deutschland der mythische Göttername Eris, den die Hauptperson Robert im Zusammenhang mit der beteiligten Frau aufgeschnappt hatte (“Heil Eris”) bis ins Zweistromland führt. Griechisch ist der Name nicht zu verstehen.
Und die mögliche Verwirrung eines Lesers ist nichts gegen die der Hauptperson: Robert, der Opernsänger, ist sich nicht mal sicher, mit jener Frau, deren Identität fortlaufend in Frage steht, liiert gewesen zu sein. Diesen Hinweis sollte man ernst nehmen!
Was bislang ganz unberücksichtigt geblieben ist, sind die Panikattacken, die den Opernsänger auf seiner Suche immer wieder überwältigen, weil er Angst hat, erneut einen Schlaganfall zu bekommen. Und es macht den besonderen Humor der Novelle aus, dass diese Anfälle zwar nahegehen, letztlich aber, durch die Erzählweise, zum Lachen reizen.
Nein, Leser haben sich nicht darauf einzustellen, eine Geschichte im Stillen weiterzuerzählen, das ‘Verückte’ ist, dass es um eine Geschichte im herkömmlichen Sinn gar nicht geht! So habe ich zumindest den Text gelesen.
Danke für die hilfreichen Ergänzungen.