14/05/2013von 1.196 Views – 0 Kommentare

Zweig, Stefan: Schachnovelle

Bibliothek der Erstausgaben

Novelle
Taschenbuch, E-Book
144 Seiten
Erschienen 2013 bei dtv
Erstausgabe 1942

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Inhalt:

An Bord eines Passagierdampfers von New York nach Buenos Aires gewinnt Dr. B. die Schachpartie gegen den amtierenden Weltmeister. Das Spiel jedoch lässt Erinnerungen an die Isolationshaft durch die Nationalsozialisten wach werden und gefährdet Dr. B.s Gesundheit. (Pressetext)

Kurzkritik:

Für mich ist die „Schachnovelle“ eine pessimistische Allegorie dafür, wie das Kultiviert-Intellektuelle gegen den geistesfeindlichen Faschismus unterliegt.

Werner gibt  ★★★★¾  (4,75 von 5 Eselsohren)

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Besprechung:

Nach der Zerstörung der geistigen Heimat

Für mich ist die „Schachnovelle“ eine pessimistische Allegorie dafür, wie das Kultiviert-Intellektuelle gegen den geistesfeindlichen Faschismus unterliegt.

Der 80. Jahrestag der Bücherverbrennung war ein „guter“ Anlass, sich ein Werk eines der von den Nationalsozialisten verfolgten Schriftsteller herzunehmen. Stefan Zweig hat sich 1942 im brasilianischen Exil das Leben genommen – wegen der Zerstörung seiner „geistigen Heimat Europa“, wie er in seinem Abschiedsbrief bekannte. Zuvor war noch sein letztes Werk, „Schachnovelle“, über einen ehemaligen Gefangenen der Gestapo erschienen.

Persönlichkeitsspaltung

Zweig schildert darin eine geistige Zerstörung. Dr. B. wurde nicht körperlich gefoltert, sondern der Treuhänder wurde isoliert und ihm wurde sämtliche Geistes-„Nahrung“ (Nachrichten, Zeitungen, Bücher) weggenommen, um an Informationen über Vermögenswerte heranzukommen. Es gelang ihm, ein Buch zu entwenden, das sich als Sammlung berühmter Schachpartien herausstellte. Nachdem Dr. B. diese Partien nachgespielt hatte, begann er, gegen sich selbst zu spielen. Dabei spaltete sich seine Persönlichkeit und er wurde als unbrauchbar aus der Haft entlassen.

Dies berichtet Dr. B. dem Ich-Erzähler. Man befindet sich auf einem Schiff in Richtung Buenos Aires, auf dem sich auch der amtierende Schachweltmeister aufhält, der eine Partie gegen Dr. B. verliert. Bei der Revanche fällt Dr. B. in seine geistige Verwirrtheit zurück und gibt sich – „Es war das letzte Mal, dass ich mich im Schach versucht habe“ – vorzeitig geschlagen.

Zerstörende Rettung

Die „Schachnovelle“ ist ein Buch, das man glaubt, leicht verstehen zu können, das sich einer eindeutigen Interpretation jedoch entzieht. Wahrscheinlich kann man sich darauf einigen, dass das Mittel, mit dem sich Dr. B. retten kann, ihn zugleich zerstört. Aber wer ist sein Gegner?

Der Schachweltmeister Mirko Czentovic wird als roher, zurückgebliebener Mensch mit einer genialen Begabung dargestellt. Ihn als Symbol für einen Nazi oder gar Hitler selbst zu werten, wie dies oft getan wird, ist nicht schlüssig, auch wenn sich Czentovic als Verfasser einer Philosophie des Schachs ausgegeben hat, die das Spiel auf Kampf und Sieg reduziert.

Pessimistische Allegorie

Für mich ist die „Schachnovelle“ eine pessimistische Allegorie dafür, wie das Kultiviert-Intellektuelle gegen den geistesfeindlichen Faschismus unterliegt. Dr. B. verliert mehr gegen sich selbst als gegen Mirko Czentovic. Sein innerer Kampf wird einzig vom emphatischen, nicht näher charakterisierten Ich-Erzähler verstanden, nicht vom rücksichtslosen Industriellen McConnor, der um jeden Preis immer gewinnen will (und der mit Hilfe von Dr. B. gegen Czentovic ein Remis erzielt), und auch nicht vom mechanisch-präzise spielenden Weltmeister, der seine Begabung primär nutzt, um Geld zu verdienen.

Auch Stefan Zweig hat nicht mehr an ein Überleben dessen geglaubt, wofür Dr. B. stehen mag. Zwei Tage, nachdem er das Manuskript an einen US-amerikanischen Verleger geschickt hatte, beging er Selbstmord.

Von Werner Schuster

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Infos:

Stefan Zweig wurde am 28. November 1881 in Wien geboren. Er stammte aus einem großbürgerlichen jüdischen Elternhaus und begann schon während seines Philosophiestudiums zu schreiben und zu veröffentlichen. Von 1919 bis 1934 lebte er in Salzburg, 1934 emigrierte er nach der Machtergreifung Hitlers nach England und 1941 über die USA nach Brasilien. Er zählt zu den bedeutendsten Erzählern und Essayisten des 20. Jahrhunderts und machte sich schon früh einen Namen als Übersetzer von Verlaine, Baudelaire und Verhaerens. Als engagierter Intellektueller und überzeugter Pazifist trat er vehement gegen Nationalismus und Revanchismus ein und knüpfte auf seinen vielen Reisen ein internationales Netzwerk mit vielen prominenten gleichgesinnten Künstlern seiner Zeit. 1938 fanden sich seine Werke auf der Liste zur Bücherverbrennung in Österreich. Die Zertrümmerung seiner geistigen Heimat Europa, die Unmenschlichkeit des Nationalsozialismus und die Greuel des Krieges, die ihm auch im Exil gegenwärtig waren, wurden für ihn schließlich unerträglich. Am 23. Februar 1942 schied er in Petrópolis, Brasilien, freiwillig aus dem Leben.

Mehr über Stefan Zweig bei Wikipedia.

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