06/06/2013von 598 Views – 0 Kommentare

Breier, Isabella: Prokne & Co


Eine Groteske

Roman
Broschiert
298 Seiten
Erschienen 2013 bei Kitab

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Inhalt:

Priska und Philina, relativ privilegierte Zeitgenossinnen und beste Freundinnen, haben – seit dieser Streiterei vor einem Jahr – keinerlei Kontakt mehr. Was sie nicht wissen: Dem intriganten Treiben Timos wegen. Durch einen Zufall kommt Priska ihrem Mann hinter die Schliche, kann‘s nicht glauben: Timo hatte in beachtlicher Umsicht dafür Sorge getragen, dass keine versöhnliche Nachricht der beiden Frauen die je andere erreichte. Priska reist nach Neapel, später nach Rom, um Philina zu finden. Die hat mit dem Tod des geliebten Vaters jede Lust auf Effizienz, Karriere, Leistung verloren und nun, nach Monaten der Untätigkeit, ihren Job. Jetzt möchte sie in aller Ruhe nachdenken: hier in Rom, der Lieblingsstadt ihres Papas. Bloß: Von Ruhe kann keine Rede sein. (Pressetext)

Kurzkritik:

Mit einer Inhaltsangabe wird man diesem Roman nicht gerecht. Was mir beim Lesen einleuchtend vorgekommen ist, wirkt in der Wiedergabe unwahrscheinlich (noch dazu, wo die Freundinnen von einer Schwalbe Philomele und einer Nachtigall Prokne begleitet werden, die deren Erlebnisse auch kommentieren). Doch gibt Breier gar nicht vor, einen realistischen Roman geschrieben zu haben, sondern bezeichnet „Prokne & Co“ als Groteske, als eine willkürlich verzerrte, übersteigerte Darstellung. Es geht der Autorin, denke ich, auch gar nicht so sehr um eine plausible Geschichte, sondern um die richtigen Bilder für Zustände und für Veränderung. Und dafür hat sie sich der Mythologie bedient.

ich war fasziniert davon, wie Philina einen Ausweg aus ihrer Verzweiflung über den Tod ihres Vaters sucht, und im Anschluss daran von Priskas Rache an ihrem intriganten Mann Timo und von ihrer Suche nach Philina in Italien.

Werner gibt  ★★★★¼  (4,25 von 5 Eselsohren)

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Besprechung:

Mythologische Groteske

Isabella Breiers „Prokne & Co“ kann man zweimal von vorne beginnen: das Buch sieht hinten und vorne beinahe gleich aus, drinnen wird dieselbe Geschichte aus zwei Perspektiven aufeinander zu erzählt. Und hier hatte ich das einzige Problem mit dieser Groteske: wo beginnen?

Mit Philina (ehemalige Gymnasialprofessorin, geschieden, ein Sohn), die sich nach dem Tod ihres Vaters verkrochen und in der Folge ihren Job als Radio-Journalistin verloren hat? Mit Priska (abgebrochenes Studium, diverse McJobs, Malerin; verheiratet)? Die ehemals besten Freundinnen haben sich jedenfalls vor einem Jahr heftig gestritten und seither keinen Kontakt mehr.

Schuld daran ist Priskas Ehemann Timo (außerordentlicher Philosophieprofessor). Dem ist die Freundschaft von Philina und Priska suspekt gewesen, also hat er nach deren Streit verhindert, dass sie wieder Kontakt aufnehmen. Zu Beginn (ihres Teils) des Romans ist ihm Priska allerdings hinter seine Intrige gekommen.

Wo beginnen?

Ich habe mit Philina begonnen (und könnte nicht sagen, ob ich die richtige Entscheidung getroffen habe). Die beschließt, nach Rom zu fahren, wo ihr Vater (Religionsphilosophieprofessor, ehemaliger Priester) eine Art Ferienwohnung in einer Pfarre hatte. Sie möchte in den Kirchen seiner Lieblingsstadt Partezetteln verteilen.

In Ruhe trauern und nachdenken kann sie dort nicht. Zum einen lebt in der Ferienwohnung auch die mysteriöse Phoebe, zum anderen trifft sie in Rom nicht nur auf gemeinsame Freunde von Philina und ihr, sondern auch auf Timo, der dort nach seiner Frau sucht. Die hat ihm seinen Hund zum Essen vorgesetzt und sich danach auf die Suche nach ihrer Freundin gemacht.

Verzerrt, übersteigert

Nein, mit einer Inhaltsangabe wird man diesem Roman nicht gerecht. Was mir beim Lesen einleuchtend vorgekommen ist, wirkt in der Wiedergabe unwahrscheinlich (noch dazu, wo die Freundinnen von einer Schwalbe Philomele und einer Nachtigall Prokne nach Italien begleitet werden, die deren Erlebnisse auch kommentieren). Doch gibt Breier gar nicht vor, einen realistischen Roman geschrieben zu haben, sondern bezeichnet „Prokne & Co“ als Groteske, als eine willkürlich verzerrte, übersteigerte Darstellung. Es geht der Autorin, denke ich, auch gar nicht so sehr um eine plausible Geschichte, sondern um die richtigen Bilder für Zustände und für Veränderung. Und dafür hat sie sich der Mythologie bedient.

Mythologie

Der zufolge erhielt der Trakerkönig Tereus Prokne (Tochter des Herrschers von Athen) zur Frau, begehrte jedoch auch deren Schwester Philomele. Er vergewaltigte sie und schnitt ihr dann die Zunge heraus, damit sie ihn nicht verraten könne. Doch Philomele schickte Prokne ein Gewand, in das sie die Bilder ihrer Leidensgeschichte eingewoben hatte. Die beiden Frauen zerstückelten als Rache Tereus‘ und Proknes gemeinsamen Sohn, kochten dessen Glieder und setzten sie Tereus zum Mahle vor. Von Tereus verfolgt, wurden sie von Zeus zu ihrem Schutz in Vögel verwandelt.

Diese u.a. von Ovid überlieferte Geschichte hat Breier in die Gegenwart versetzt. Und auch, wenn man das nicht weiß (allerdings wird sie im Philomele-Teil erzählt), verleiht sie dem Roman eine Art mythologische Stimmigkeit.

Delphisches Orakel

Und so hat es mich auch nicht gestört, wer sich da aller zufällig in Rom einfindet oder dass Priska in Neapel ausgerechnet Phoebe begegnet (der Frau aus der römischen Wohnung von Philinas Vater), die sie auf Philinas Spur bringt. Schließlich war Phoebe nach Aischylos Inhaberin des Orakels von Delphi.

Nein, ich war fasziniert – und betroffen – davon, wie Philina einen Ausweg aus ihrem Leiden sucht, und im Anschluss daran von Priskas Rache an Timo und ihrer Suche nach Philina. Ich bin sicher, es tut dem Lesevergnügen keinen Abbruch, wenn man mit dem Priska-Teil beginnt. Und ich denke, ich kann verraten, dass sich die beiden begegnen werden. Nach der Hälfte des Buches weiß man‘s sowieso (auch, ob sie sich versöhnen werden).

Verraten kann ich wohl auch, dass die Männer in diesem „Doppel“-Roman nicht besonders gut wegkommen. Denn das tun sie in die mythologischen Vorlage ja auch nicht.

Von Werner Schuster

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Infos:

Das meinen andere (Perlentaucher-Rezensionsnotizen).

Isabella Breier, geb. 1976 in Gmünd/NÖ; Kindergarten, VS und AHS in Wels; ab 1994 Studium der Philosophie, Germanistik und Soziologie in Wien; Dr. phil.; Aufenthalte in Mexiko; Engagement bei feministischen Organisationen; DAF-Trainerin; lebt mit Tochter in Wien.

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