Biermann, Mika: Saubere Stadt
Roman
Broschiert, E-Book
127 Seiten
Erschienen 2013 bei Unsichtbar Verlag
Aus dem Französischen vom Autor
Originalausgabe: „Ville propre”, 2007
Kurzkritik – Was meinen Sie? – Ausführliche Besprechung – Infos
Inhalt:
Während die Sommersonne die Müllhalden und Strände von Marseille erhitzt und schwülwarmen Gestank auf die Straßen legt, sitzt Madeleine-Marie Rofil im Gerichtssaal, angeklagt ihren eigenen Ehemann ermordet zu haben. Und während die Zeugen mit allen Mitteln versuchen, ihre Schuld zu nachzuweisen, kommen noch ganz andere schmutzige Details ans Tageslicht. (Pressetext)
Kurzkritik:
Ein Gerichtssaal-Drama für Menschen, die kein Poblem damit haben, ein Buch mit wirklich schmutzigem Sex zu lesen.
Werner gibt (4 von 5 Eselsohren)
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Besprechung:
Mysophil
Zum Beispiel an jene Szene am öffentlichen Strand, als sie aufs Klo musste und sich in die Büsche verdrückte, was ihm Unbehagen bereitete.
Mir wurde klar, dass ich mit einem Mann verheiratet war, der mich mit Abscheu betrachtete, nur weil ich mal dringend scheißen musste.
Die ungewaschene Putzfrau
Wenn der gewusst hätte, dass sie da schon längst draufgekommen war, dass Schmutz sie sexuell erregt. An besagtem Strand jedenfalls, beim Kacken, umgeben von Müll, befriedigte sie sich selbst.
Parallel zum Prozess mit Zeugenaussagen und Plädoyers erfahren wir von Madame Roifls langweiliger Ehe und ihrer sexuellen Befreiung, welche auch Verkehr mit der (ungewaschenen und masochistischen) Putzfrau oder mit einem Obdachlosen mit einschließt. Das erinnert ein bisschen an Roches „Feuchtgebiete“, wiewohl „Saubere Stadt“ auf mich weniger kalkül- und ekelhaft und somit nachvollziehbarer wirkt.
Nicht erwischen lassen
Vor allem will Biermann nicht bloß provozieren, sondern erzählt eine folgerichtige Geschichte, die von Mysophilie handelt, der sexuellen Erregung durch den Kontakt mit Unrat, wie Madelaine-Marie ein Psychologe erklärt, den sie in ihrer Verwirrung aufsucht, nachdem sie diese Neigung an sich entdeckt hat. (Dieser gibt ihr den Tipp, sich bei ihren sexuellen Handlungen nicht erwischen zu lassen.)
Hat der Tod ihres Mannes nun mit ihrer Veranlagung zu tun? – In gewisser Weise schon. Doch wie und warum möchte ich nicht verraten. Wer kein Problem damit hat, ein Buch mit wirklich schmutzigem Sex zu lesen, der oder dem soll das Vergnügen an dem parallel ablaufenden Gerichtssaal-Drama nicht genommen werden.
Von Werner Schuster
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Infos:
Mika Biermann erblickt das Licht der Welt 1959 in Bielefeld. Die Stadt am Teutoburger Wald ist ein karger Nährboden für amoralische Umtriebe. Abitur. Ende des ersten Kapitels. Ab 1981 Kunststudium in Berlin mit Mauer. Schon besser, aber der Geruch nach Ölfarbe törnt auch nicht so richtig. Meisterschüler. Ende des zweiten Kapitels. 1988 zieht Mika nach Marseille. Die Hafenstadt ist grau verkommen und stinkt nach Anis. Wer anderer Leute Wohnung streichen muss, malt keine Bilder mehr. Mika schreibt ein Buch, auf französisch. „Ich liebe dich“ klingt ranzig, „Je t‘aime“ klingt nach Sex. Der Verlag Climat verlegt 1996 „Les trente jours de Marseille“ mit dem Untertitel „Erotischer Roman“. „Pornografischer Roman“ hätte die Käufer irritiert. Mika wird weder reich noch berühmt. Ende des dritten Kapitels. Marseille wandelt sich langsam zur Großstadt, Mika rapide zum Museumsführer. Das lässt mehr Zeit zum Schreiben. 2007 verlegt „La Tangente“ sein Manuskript „Ville propre“. So schöner Schmutz soll dem deutschen Sprachraum nicht vorenthalten werden. Der Autor übersetzt sein Buch in seine Muttersprache. Ende des vierten Kapitels. 2013. Marseille ist Kulturhauptstadt Europas. Ein Roman über eine absurde Antarktisexpedition mit dem Titel „Un Blanc“ erscheint im Verlag Anacharsis. „Saubere Stadt“ erscheint im Unsichtbar Verlag. Mika wird reich und berühmt. Anfang des fünften Kapitels.
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