Scott, Paulo: Unwirkliche Bewohner
Roman
Hardcover, E-Book
256 Seiten
Erschienen 2013 bei Wagenbach
Aus dem brasilianischen Portugiesisch von Marianne Gareis
Originalausgabe: „Habitante irreal”, 2012
Kurzkritik – Was meinen Sie? – Ausführliche Besprechung – Infos
Inhalt:
Paulo Scott erzählt die Geschichte einer unmöglichen Liebe zwischen den Kulturen, die dennoch bleibende Spuren hinterlässt und er beschwört das Erbe der indianischen Ahnen, der unwirklichen Bewohner Brasiliens: Als der Jurastudent Paulo in seinem VW-Käfer die 14-jährige Autostopperin Maína mitnimmt, verändert sich das Leben der beiden. Das Mädchen aus dem Indianercamp an der Ausfallstraße von Porto Alegre und der politisch engagierte Sohn aus gutem Hause kommen sich schnell näher und doch nie wirklich nahe; zu unterschiedlich sind die beiden Welten, die hier aufeinanderprallen. Erst Donato, ihrem gemeinsamen Kind, gelingt es, das Unvereinbare zusammenzubringen. (Pressetext)
Kurzkritik:
Ein außergewöhnlicher Roman. Die Story ist zwar simpel, fängt jedoch die jüngere Geschichte Brasiliens unaufdringlich sinnbildlich ein. Die Erzählweise ist eher anspruchsvoll und doch zugänglich.
Werner gibt (4,5 von 5 Eselsohren)
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Besprechung:
Donatos Protest
Paulo Scott erzählt von einem jungen Nachkommen der portugiesischen Einwanderer, Paulo, der ein kurzes Verhältnis mit dem indigenen Mädchen Maína eingeht. Es gelingt ihnen nicht, die Unterschiede ihrer Kulturen zu überwinden. Auch ihr Kind Donato lebt mit zwei Seelen in seiner Brust und vermag diese nicht anders zu integrieren als im Protest.
Paulo ist ein politisch engagierter Jurastudent und versucht Maína zu helfen – ohne sie zu fragen, was sie braucht. Sie lebt in einer Hütte in einem Indianercamp an einer Ausfallstraße. Ohne ihre Einwilligung und ohne eine Genehmigung einzuholen, baut er ihr ein Haus. Bei der Auseinandersetzung mit zwei Polizisten wird Paulo angeschossen und flüchtet später nach Europa.
Ein Halb-Indiander in den besten Schulen
Da ist Maína schon schwanger von ihm. Nachdem sie sich das Leben genommen hat (mir wurde nicht klar, warum), wird ihr Sohn von einem Wissenschaftler-Paar adoptiert. Donato wird in die besten Schulen geschickt und hätte alle Chancen, „sogar“ als Halb-Indiander gesellschaftlich aufzusteigen, doch als er von seiner wahren Herkunft erfährt, engagiert er sich mit Leib und Seele für die Rechte der Ureinwohner Brasiliens.
Scott erzählt dies in kurzen realistischen Szenen mit einer knappen, nüchternen Sprache, einfühlsam und doch auf Distanz zu seinen Figuren. Man hat nicht das Gefühl, eine erfundene Geschichte zu lesen, sondern einen Tatsachenbericht mit sperrigen Charakteren inklusive unsympathischen Eigenschaften. Sie sind weder Hollywood-Film- noch Bestseller-tauglich. Dazu passt, dass es kein Happy End gibt, sondern einen offenen Schluss.
Das Ende der großen Zuversicht
Gleichzeitig hat Scott mit seiner Geschichte das eingefangen, was er wollte: ein Scheitern der Utopien. Um 1989 herrschte in Brasilien, so Scott, „große Zuversicht, dass wir ein perfektes Land schaffen würden, so gänzlich anders als das der Vergangenheit mit all seinen Ungerechtigkeiten und Irrtümern. Wir würden das beste sozialistische Modell, das man sich vorstellen kann, verwirklichen. Wie man sieht, ist nichts von alldem realisiert worden.“ Denn ein indigener Jugendlicher muss sich trotz glänzender Portugiesischkenntnisse völlig darüber im Klaren sein, „dass er niemals in die Welt der ,Zivilisierten‘ aufgenommen, geschweige denn von den ,Zivilisierten‘ als vollwertiger Mensch wahrgenommen werden wird.“
Donato ist einer dieser Jugendlichen.
Von Werner Schuster
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Infos:
Paulo Scott, geboren 1966 in Porto Alegre, hat vor »Unwirkliche Bewohner« bereits einen Roman, zwei Erzählsammlungen und einen Gedichtband veröffentlicht. Er lebt und arbeitet in Rio de Janeiro.
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