Doyle, Roddy: Die Rückkehr des Henry Smart
Roman
Hardcover, e-Book
384 Seiten
Erschienen 2013 bei Hanser
Aus dem Englischen von Renate Orth-Guttmann
Originalausgabe: „The Dead Republic”, 2010
Kurzkritik – Was meinen Sie? – Ausführliche Besprechung – Infos
Inhalt:
Henry Smart kehrt 1951 nach langjährigem Exil in den USA in seine Heimat Irland zurück. Der berühmte Hollywood-Regisseur John Ford will das Leben des einstigen IRA-Kämpfers verfilmen. Doch Henry, der nach einem Unfall ein Bein verloren hat, sagt ab. Fast vergessen, fängt er als Hausmeister in einer Schule bei Dublin an. Nachdem er dort bei einem Bombenattentat auch noch sein Holzbein verliert, wird Henry von der Unabhängigkeitsbewegung zum Helden erklärt. Und sein Kampf geht weiter, bis in unsere Tage. Roddy Doyle erzählt in seinem als Meisterwerk gefeierten Roman von einem Mann, der sich nie geschlagen gibt, und lässt auf unvergleichliche Weise die verworrene Geschichte Irlands lebendig werden. (Pressetext)
Kurzkritik:
Wahrscheinlich müsste man die ersten beiden Henry-Smart-Bücher kennen, um die Feinheiten aus dem abschließenden dritten herauslesen zu können. Vielleicht würde das aber auch nichts nützen.
Als hätte er es darauf angelegt, dass „Die Rückkehr des Henry Smart“ nicht verfilmt werden soll, verweigert Doyle, filmreif oder klischeehafte Szenen zu schreiben. Selten handeln Menschen in diesem Buch so, wie man es erwarten würde, oder sprechen nicht in Andeutungen, die man nicht unbedingt verstehen muss.
Und Doyle lässt Henry sagenhafte 108 Jahre alt werden. So kann er die Geschichte der (ab 1949) Republik Irland bis in die Gegenwart abhandeln. Leider nicht selbsterklärend: Man muss schon ziemlich viel über die Unabhängigkeitsbewegung wissen (oder nachlesen), um zu durchschauen, worüber Henry mit Ford, IRA-Männern und Briten, seiner Frau und seiner Tochter redet.
Werner gibt (2,75 von 5 Eselsohren)
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Besprechung:
Andeutungsweise
Obwohl: Der erste Teil der „Rückkehr“ ist schon grandios komponiert. Roddy Doyle (vielen vielleicht von seinen verfilmten Büchern „Die Commitments“, „The Snapper“ und „Fish & Chips“ her bekannt) lässt uns an der Genese eines Drehbuchs teilhaben. John Ford (hat wirklich gelebt, war der Sohn irischer Einwanderer und wurde mit vier Regie-Oscars ausgezeichnet) will Henrys Leben als irischer Untergrundkämpfer verfilmen (das war das Thema des Romans „Henry der Held“).
Das Problem ist: Henry leidet unter Gedächtnisschwund (oder er will sich eigentlich nicht an seine frühen Jahre erinnern; das geht nicht so klar hervor). Außerdem verschwindet er gerne, um – ganz „richtiger Mann“ – einsam mit seinem Leben zu hadern. Er bedauern weniger, dass er in den USA bei einem Unfall ein Bein verloren hat, als dass er seine Frau und seine Tochter, die er in Irland zurücklassen musste und mit denen es (im zweiten Henry-Band „Jazztime“) in den USA ein Wiedersehen gegeben hat, wieder aus den Augen verloren hat. Oder dass er ein (politischer) Mörder ist.
Erinnerungen
Jedenfalls beschreibt Doyle grandios, wie der schrullige und gebieterische Ford aus Henry Erinnerungen herauslockt, – um sie augenblicklich in Filmszenen umzuwandeln, in welchen sich Henry allerdings nicht wieder erkennt.
Ford bringt ihn Henry zurück nach Irland, wo er den Film (mit John Wayne und Maureen O’Hara) drehen will, doch Henry beendet seine Mitarbeit und taucht unter. Als er glaubt, von seinen Landsleuten nicht mehr erkannt zu werden (er hatte Widerstandskämpfer ausgebildet und Auftragsmorde durchgeführt und war aus der Haft geflüchtet), arbeitet er zunächst als Gärtner, um dann Hausmeister an einer Schule zu werden.
Unvergessen
Doch man hat ihn nicht vergessen. Außerdem erregt er unfreiwillig Aufmerksamkeit, als er 1974 zufällig Opfer eines Bombenattentats wird. Bald lässt er sich öffentlich als Widerstandsveteran feiern, während er für die Briten als Spion arbeitet. Die Briten drohen nämlich, seiner Tochter etwas anzutun, die ihn ebenfalls aufgespürt hat. Das war nicht schwer, weil er seiner Frau zufällig wieder begegnet ist.
Dass er und seine Frau so tun, als würden sie sich nicht erkennen, macht dieses Wiederfinden etwas seltsam. Hinzu kommt ja noch Henrys Gedächtnisschwund, von dem in Irland allerdings nichts mehr zu merken ist.
Jenseits vom Klischee
Als hätte er es darauf angelegt, dass die „Rückkehr“ nicht verfilmt werden soll, verweigert Doyle, filmreif oder klischeehafte Szenen zu schreiben. Selten handeln Menschen in diesem Buch so, wie man es erwarten würde, oder sprechen nicht in Andeutungen, die man nicht unbedingt verstehen muss.
Und Doyle lässt Henry sagenhafte 108 Jahre alt werden. So kann er die Geschichte der (ab 1949) Republik Irland bis in die Gegenwart abhandeln. Leider nicht selbsterklärend: Man muss schon ziemlich viel über die Unabhängigkeitsbewegung wissen (oder nachlesen), um zu durchschauen, worüber Henry mit Ford, IRA-Männern und Briten, seiner Frau und seiner Tochter redet.
Und so hat man es bei „Die Rückkehr des Henry Smart“ mit einem etwas verwirrenden Buch zu tun, das zwar gekonnt geschrieben ist, aber nicht dazu animiert, die vorigen zwei Henry-Bücher gegebenenfalls nachzuholen.
Von Werner Schuster
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Das meinen andere (Perlentaucher-Rezensionsnotizen).
Roddy Doyle, 1958 in Dublin geboren, arbeitete als Lehrer, bevor er als Autor berühmt wurde. Auf Deutsch erschienen unter anderem die Barrytown-Trilogie – The Commitments wurde von Alan Parker, The Snapper und The Van von Stephen Frears verfilmt – und die Romane Paddy Clarke Ha Ha Ha (1994), für den er den Booker-Preis erhielt, Henry der Held (2000) und zwei Kinderbücher. Bei Hanser erschienen Rory und Ita (2005), Jazztime (Roman, 2006), Paula Spencer (2008) und Typisch irisch (Erzählungen, 2011).
Mehr über Roddy Doyle, John Ford und die Geschichte Irlands bei Wikipedia.
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- von: Werner
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