Khalifa, Sahar: Heißer Frühling
Kurzkritik – Was meinen Sie? – Ausführliche Besprechung – Infos
Erschienen beim Unionsverlag (Hardcover, 2008; Taschenbuch, 2010)
Aus dem Arabischen von Regina Karachouli
Originalausgabe: „Rabi harr. Rihlat as-sahr wa-s-sabbar“, 2004
Inhalt:
Madschids Jugendtraum war eigentlich, als Sänger berühmt zu werden. Aber auch sein jüngerer Bruder Ahmed wird durch die Ereignisse aus der Bahn geworfen. Linkisch und verträumt, interessierte er sich nur fürs Malen und Fotografieren. Nun arbeitet er als Sanitäter beim Roten Halbmond. Während die Frauen den immer schwierigeren Alltag meistern und sich um die Notleidenden kümmern, ist der sensible Ahmed zutiefst verstört. Er verschließt sich seiner Familie und seinen Freunden, wird immer radikaler in seinen Ansichten – bis er schließlich handelt. Ein Verzweiflungs- oder ein Terrorakt? (Pressetext)
Kurzkritik:
Während wir TV-Bilder und Schlagzeilen alsbald vergessen, werden sich die Menschen dieses Buches uns eher einprägen, und wir bekommen einen persönlichen Bezug zu einem kriegerischen Konflikt, der auch in Zeiten des Internet weit weg passiert.
Und auch wenn es in „Heißer Frühling“ um PalästinenserInnen geht, können wir unsere (eigenen?) Ansichten über Schuld und Sühne in Palästina außer Acht lassen. Für Zivilisten ist wohl jeder Krieg gleich.
Werner gibt (4 von 5 Eselsohren)
Und hier können Sie das Buch bestellen:
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Diesseits der Fernseh-Bilder
Wir lesen von den israelisch-palästinensischen Auseinandersetzungen in den Tageszeitungen, sehen die Berichte über den jüngsten – angeblich im Jänner 2009 beendeten – Krieg im Gazastreifen im Fernsehen, wissen mehr oder weniger etwas über die Ursachen dieses spätestens 1900 ausgebrochenen Konfliktes. Wir haben keine (befriedigende) Erklärung dafür.
Dem mag vielleicht ein Sachbuch abhelfen (etwa „Die Geschichte der Israelis und Palästinenser“ von Martin Schäuble und Noah Flug), aber können wir uns deshalb eine Vorstellung davon machen, wie es ist, in Palästina zu leben? – Vielleicht, wenn wir Sahar Khalifa lesen.
In „Heißer Frühling“ werden wir nichts über (historische) Ursachen, nichts über nationale und internationale Politik erfahren. Sondern hautnah miterleben, wie es für PalästinenserInnen war, als die israelische Armee 2002 den Regierungssitz von Jassir Arafat in Ramallah belagerte.
Keine Chance
Wir wachsen mit zwei Brüdern auf. Madschid träumt davon, ein berühmter Sänger zu werden. Der jüngere Ahmed interessiert sich nur fürs Malen und Fotografieren – und verschaut sich in ein jüdisches Mädchen. Keine Frage, dass diese Verliebtheit keine Chance hat. Keine Frage, dass sich die Träume der Brüder nicht erfüllen können. Vielleicht wäre dies ohnedies nicht geschehen, doch auf keinen Fall während eines/dieses Krieges.
Sahar Khalifa schreibt über Freunde und Feinde in Kriegszeiten. Wie man in einem Kriegsgebiet überlebt. Und wie man alle die Toten betrauert und manchmal in eine ohnmächtige Wut verfällt, die sich bei Ahmed etwa in einer selbstmörderischen Aktion entlädt.
Für Zivilisten ist wohl jeder Krieg gleich.
Während wir TV-Bilder und Schlagzeilen alsbald vergessen, werden sich die Menschen dieses Buches uns eher einprägen, und wir bekommen einen persönlichen Bezug zu einem kriegerischen Konflikt, der auch in Zeiten des Internet weit weg passiert.
Und auch wenn es in „Heißer Frühling“ um PalästinenserInnen geht, können wir unsere (eigenen?) Ansichten über Schuld und Sühne in Palästina außer Acht lassen. Für Zivilisten ist wohl jeder Krieg gleich.
Von Werner Schuster
– in einer Buchhandlung in Ihrer Nähe
– bei Amazon: „Heißer Frühling“ und „Die Geschichte der Israelis und Palästinenser“
Sahar Khalifa wurde 1941 in Nablus, Palästina, geboren. Mit achtzehn Jahren ging sie eine traditionelle Ehe ein, die dreizehn Jahre dauerte. Nach der Scheidung begann sie sich verstärkt dem Schreiben zu widmen, studierte in den USA und arbeitete als Dozentin an der Universität Bir Zeit. In Nablus gründete sie ein palästinensisches Frauenzentrum, das sie neben ihrer schriftstellerischen Arbeit leitet. Heute lebt sie in Nablus und Amman. Für ihren Roman „Die Verheißung“ erhielt sie 2006 in Kairo die Nagib-Machfus-Medaille.
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