Steidele, Angela: Adele Schopenhauer und Sibylle Mertens
Kurzkritik – Was meinen Sie? – Ausführliche Besprechung – Infos
Geschichte einer Liebe
Erschienen 2010 bei Insel
Inhalt:
Adele Schopenhauer – Schriftstellerin, Künstlerin, die Schwester des Philosophen Arthur Schopenhauer – und die »Rheingräfin« Sibylle Mertens-Schaaffhausen verband eine leidenschaftliche Liebesbeziehung mit den dazugehörigen Höhen und Tiefen. Seit 1828 waren sie ein Paar. Sibylle Mertens war eine der gebildetsten Frauen ihrer Zeit, Musikerin, Komponistin, Archäologin, Antikensammlerin und Mäzenin. Ihre Salons in Bonn und Rom waren berühmt. Vom Vater an einen ungeliebten Mann verheiratet, pflegte sie Zeit ihres Lebens intensive Beziehungen zu Frauen. Adeles Leben mit Sibylle Mertens wurde so nicht nur von deren Ehemann und ihren sechs Kindern beeinträchtigt, die ihre Beziehung als »Unrecht, Wahnwitz, Tollheit« torpedierten. (Pressetext)
Kurzkritik:
Einige KollegInnen rühmen dieses Buch vor allem als endlich erfolgtes Outing einer lesbischen Liebesbeziehung im 18. Jahrhundert. Das greift meiner Meinung nach zu kurz. Für mich hat Angela Steidele eine Epoche aus einer immer noch ungewohnten Perspektive beschrieben und sie hat einige – auch wissenschaftlich – immer noch zu wenig beachteten Frauen in den Vordergrund gestellt. Dass Adele Schopenhauer und Sibylle Mertens ein Liebespaar waren, ist für mich bloß ein von der Forschung bisher ebenfalls unterschlagenes Faktum, auch wenn das Buch den Titel „Geschichte einer Liebe“ trägt.
Werner gibt (4 von 5 Eselsohren)
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Liebe in Zeiten des Männerstolzes
Einige KollegInnen rühmen dieses Buch vor allem als endlich erfolgtes Outing einer lesbischen Liebesbeziehung im 18. Jahrhundert. Das greift meiner Meinung nach zu kurz. Für mich hat Angela Steidele eine Epoche aus einer immer noch ungewohnten Perspektive beschrieben und sie hat einige – auch wissenschaftlich – immer noch zu wenig beachteten Frauen in den Vordergrund gestellt. Dass Adele Schopenhauer und Sibylle Mertens ein Liebespaar waren, ist für mich bloß ein von der Forschung bisher ebenfalls unterschlagenes Faktum, auch wenn das Buch den Titel „Geschichte einer Liebe“ trägt.
Randfiguren
Ja, wir erfahren, dass lesbische Frauen auch im 18. Jahrhundert ihre sexuellen Neigung besser geheim gehalten haben und dass sie günstigstenfalls belächelt worden sind. Doch dass Adele Schopenhauer und Sibylle Mertens bisher nicht einmal Randfiguren der Geschichtsschreibung gewesen sind, liegt wohl eher daran, dass sie Frauen waren.
Und so hat Angela Steidele anhand vieler bisher unveröffentlichter Quellen einen Teil der Geschichte neu geschrieben – nicht nur Männer waren dereinst in Wissenschaft, Kultur, Wirtschaft und Politik tätig.
Schwester und Ehefrau
Adele Schopenhauer (war eben nicht nur die Schwester des Philosophen Arthur Schopenhauer, sondern) schrieb Märchen, Gedichte und Romane und war auch eine Meisterin des Scherenschnitts. Sibylle Mertens, angeblich eine der gebildetsten Frauen ihrer Zeit, war Musikerin, Komponistin, Archäologin, Antikensammlerin und Mäzenin. Ihre Salons in Bonn und Rom waren berühmt. (Ihr Vater hatte sie mit einem ungeliebten Mann verheiratet, mit dem sie sechs Kinder hatte.)
Trotzdem erfolgreich
Nun war Sibylle Mertens als wohlhabende Frau relativ unabhängig. Unter welchen widrigen Umständen andere Frauen zu dieser Zeit versuchen mussten, mit ihren Begabungen (auch finanziell) erfolgreich zu sein, zeigt Steidele etwa an den Beispielen von Annette von Droste-Hülshoff und der heute in Vergessenheit geratenen englischen Schriftstellerin Anna Jameson.
Entstellte Quellen
Steidele hat jedoch kein Pamphlet, sondern ein gründlich recherchiertes und unterhaltsam zu lesendes Sachbuch geschrieben. Das Material dazu musste sie mühsam zusammensuchen und entschlüsseln, denn das, was sie interessierte, war oft nur in Auszügen berücksichtigt oder gar entstellt worden. Nicht nur Arthur Schopenhauer (und dieser trotz seiner Schwester) war der Ansicht, dass Frauen „eine Art Mittelstufe zwischen dem Kinde und dem Manne“ seien. Da konnten diese noch so viel leisten.
Von Werner Schuster
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Angela Steidele, geb. 1968, Dr. phil., erforscht die Geschichte der Frauenliebe vor Erfindung der „Homosexualität“ (1869). Ihrer Dissertation „Als wenn du mein Geliebter wärest.“ Liebe und Begehren zwischen Frauen in der deutschsprachigen Literatur 1750-1850 (Stuttgart: Metzler, 2003) folgte die Biographie der letzten Frau, die in Europa wegen der so genannten Unzucht mit einer anderen Frau hingerichtet wurde: „In Männerkleidern.“ Das verwegene Leben der Catharina Margaretha Linck alias Anastasius Lagrantinus Rosenstengel, hingerichtet 1721 (Köln: Böhlau, 2004). Das Buch wurde mit dem Gleim-Literaturpreis ausgezeichnet. Angela Steidele lebt, schreibt und gärtnert in Köln.
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