Ich bin mein Büro
Liebe LeserInnen,
wir schreiben den 29. September 2010, links neben mir knistert es im Ofen, über meinen Bildschirm hinweg kann ich einen Mann sehen, der mir durch die geschlossene Tür zu verstehen gibt, dass er meine Fenster putzen will. Ich winke ab, obwohl er mir leid tut da draußen in der Herbsteskälte. Aber ich werde meine Fenster selbst reinigen. Bald. Irgendwann.
Ich schenke mir Kaffee ein aus der Thermoskanne, nehme einen Schluck und blicke um mich: Ein Jahr Büro-Umbau.
Rechts von mir liegen auf dem Schreibtisch gelesene und noch nicht besprochene Bücher inmitten eines Haufens Papier, ein Plastikpanther bewacht dieses Chaos. In der Auslage überlegt ein Efeu, ob er überleben mag, daneben liegen Lochsteine (von diversen Meeresstränden) und neuerdings Kastanien, rechts davon warten zwei Plastikesel auf die Kinder, die sie durch die Scheibe berühren wollen.
Über der Eingangstür hängt der „Hausgeist“ von Max Ernst (als Postkarte), links davon sehe ich das chinesische Rollbild, in dessen Landschaft ich mich von Zeit zu Zeit gern zurückziehe.
Vor der zweiten Auslage – es ist ein Ecklokal – steht ein Tisch mit Büchern, die ich den PassantInnen zu lesen empfehle, die ausgedruckte und aufgehängte Kritik von heute kann ich von hier aus nicht sehen, aber das riesige Zappa-Poster von seinem „Yellow Shark“-Wien-Konzert. Davor mein alter Ledersessel (in dem ich hier immer noch nicht gesessen bin) und die Stehlampe mit dem Schirm in Weiß, Blau und Rot, den mir Eva gemacht hat.
Die Wände sind schon nicht mehr frisch ausgemalt, für das schon beim Einzug am 1. Oktober 2009 vorhandene Bücherregal habe ich immer noch keine Bretter besorgt und zugeschnitten (und die Bücher aus der Wohnung hierher gebracht). – Sobald es meine Jobs erlauben, denke ich, und: alles hier hat eine, meine Geschichte.
Der Eingang zum Nebenraum! – Weil ich mir ein Gassenlokal ausgesucht habe, war bald die Idee da, hier kleine Veranstaltungen abzuhalten. Also habe ich mir vor dem Umbau das Veranstaltungsgesetz durchgelesen. Eine der Erkenntnisse: Der Eingang zum Nebenraum war zu schmal.
Ich hau den Verputz runter – immer noch zu schmal. Ich klopf eine Reihe Ziegeln von den Wand. Ergibt viele Säcke Bauschutt.
„Nackte“ Ziegeln. Gefällt mir. Wär schön gewesen (vielleicht). Ich hau den Verputz von den Wänden. Ergibt noch mehr Säcke Bauschutt.
Jetzt muss ich aber noch die abgeschlagenen Ziegeln abschleifen. Ich produziere die größte Menge Staub meines Lebens – und scheitere trotzdem.
Außerdem müsste man die glatten Ziegeln mit Sandstrahl reinigen, weil sie sonst dauernd schmutzen. Könnte ich nicht; will gar nicht wissen, was ein Profi dafür verlangen würde.
Ich beschließe, zu verputzen. Scheitere abermals. Kaufe schließlich Verputz-Platten. Draufkleben – anmalen – fertig. (Das schreibt sich jetzt so leicht, und ich habe mehr als 30 Säcke Bauschutt von hier rausgetragen.)
Meine Wände.
Der Ofen! – Damit der den nötigen Sicherheitsabstand vor all den sich andauernd die Finger verbrennenden Gästen haben sollte, hab ich auch hier im vorderen Raum eine Reihe Ziegeln runtergeklopft. Das Gute daran war, dass ich dadurch einen Kamineingang entdeckt habe – genau dort, wo ich den Ofen hinhaben wollte {– sonst hätte ich ein Rohr vom Nebenraum herausführen müssen (– was allerdings hinten auch Wärme gebracht hätte, überlegte ich später)}.
Und weil ich zuerst ausmalen wollte, bevor ich den Ofen anschloss, hat sich die Sache hier verzögert. Dann wurde es zu kalt zum Ausmalen und ich wollte zuerst nicht mir Elektrizität heizen.
Im März hatte ich dann den Ofen hier (– und es waren nur Wände unmittelbar bei diesem Ofen ausgemalt). Dafür hatte ich das Wandfutter selbst in die Wand gemörtelt (oder wie immer man dazu sagt) und den Ofen – entgegen den Rat meiner Frau – selbst angeschlossen (– wie so vieles hier hatte ich auch das noch nie gemacht, aber für den Rauchfangkehrer war‘s o.k.).
Mein Ofen.
Der Holzboden! – Der hatte dereinst einen rötlich-braunen Schutzanstrich, den wollte ich abschleifen. Weil ich mir aber dachte, für die paar Quadratmeter zahlt es sich nicht aus, eine Schleifmaschine auszuborgen, hab ich das mit der Flex getan. Das war nicht nur eine staubige Angelegenheit: Ich hab mir dabei auch die Ellenbogen überreizt und mich so für zwei, drei Monate außer Gefecht gesetzt (was das Handwerken anbelangt).
Dann habe ich auch noch im Baumarkt nicht aufgepasst und den falschen Anstrich gekauft (er war für Holzwände und der Boden verschmutzte täglich immer mehr). Abschleifen ging nicht, also habe ich den Anstrich weggeschrubbt – bei über 30 Grad.
Neuer (richtiger) Anstrich drauf, und jetzt passt‘s.
Mein Holzboden.
Seit April arbeite ich hier herinnen (am Computer), im August (– die kaputten Ellenbogen!) habe ich auch mit Freunden die Möbel aus dem ehemaligen Arbeitszimmer in der Wohnung hierher geholt.
Nun weist man mich seit einem Jahr darauf hin, dass es auch Profi-HandwerkerInnen gibt. Aber erstens habe ich dafür zu wenig Geld (für PfuscherInnen eigentlich auch) und zweitens ist das hier, so unperfekt es auch sein mag, alles Meins. Auf irgendeiner Ebene bin ich mein Büro.
Und so habe ich als Büro immer noch keine Kaffeemaschine, weil ich als Werner die Abwasch noch nicht montiert habe – denn wo soll ich bitte mein Geschirr abwaschen? Weiters sind die Elektrokabel nicht in den hinteren Raum verlegt, weshalb auch der Herd noch nicht angeschlossen ist.
Aber dann wäre alles fertig. Fast.
Ich als Werner gieße mir jetzt wieder Kaffee aus der Thermoskanne ein und schaue noch einmal um mich. Ja, die Fenster gehören bald einmal geputzt. Aber zuvor muss ich auf jeden Fall zwei Artikel für ein Kulturmagazin schreiben – und den Linktipp für morgen. Hinter mir knistert das Holz im Ofen und wenn ich nicht vergesse nachzulegen, werde ich es angenehm warm dabei haben.
Werner Schuster
P.S.: Die Fotos zu all dem finden Sie hier.
Hallo Bruderherz,
ich freue mich mit Dir! Dein Büro ist Dir echt gelungen!
Umarm’ und Bussi!
p.s. ein Foto von meinem zum Schutt-Transporter umfunktionierten Döf hättest machen können 😀