Folliet, Luc: NAURU. Die verwüstete Insel
Kurzkritik – Was meinen Sie? – Ausführliche Besprechung – Infos
- Wie der Kapitalismus das reichste Land der Erde zerstörte
- Taschenbuch
- Erschienen 2011 bei Wagenbach
- Aus dem Französischen von Oliver Ilan Schulz
- Originalausgabe: „Nauru, l’île dévastée : Comment la civilisation capitaliste a détruit le pays le plus riche du monde“, 2009
Inhalt:
Eine Reise nach Nauru, der kleinsten Republik der Erde: jahrzehntelang Zankapfel der Kolonialmächte, dann mit Vogeldung reich geworden, fiel sie dennoch Anfang des 21. Jahrhunderts in den Status eines Entwicklungslandes zurück. (Pressetext)
Kurzkritik:
Man kennt das ja: Jemand hat plötzlich viel mehr Geld als bisher zur Verfügung und weiß nicht, was er damit anfangen soll. LottogewinnerInnen zum Beispiel. Dass dieses Phänomen auch bei einem ganzen Staat auftreten kann, beweist diese Reportage von Luc Folliet.
Die Insel Nauru war einmal der zweitreichste Staat der Welt (pro Kopf gerechnet). Doch dann: „Das Phosphat brachte Geld, das Geld wiederum verursachte das Müßiggängertum und den Kulturabbau der Bevölkerung. (…) Der Gewaltmarsch in Richtung Reichtum (…) endete mit der physischen Zerstörung des Heimatlandes und einem nur knapp vermiedenen Staatsbankrott. Dieser Staat muss nun sein Territorium verpachten, während sein Volk stirbt, weil es sich gehen lässt.“
Werner gibt (4 von 5 Eselsohren)
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Wer wäre nicht gerne reich?
Man kennt das ja: Jemand hat plötzlich viel mehr Geld als bisher zur Verfügung und weiß nicht, was er damit anfangen soll. LottogewinnerInnen zum Beispiel. Dass dieses Phänomen auch bei einem ganzen Staat auftreten kann, beweist diese Reportage von Luc Folliet.
Nauru ist eine kleine Insel im Pazifischen Ozean mit 21,3 km² und derzeit (2008) etwa 14.000 EinwohnerInnen. 1888 wurde sie von Deutschland annektiert. Wenige Jahre später wurden riesige Phosphatvorkommen entdeckt, eine grundlegende Basis für die Düngerproduktion. Nach dem Ersten Weltkrieg ging Nauru an Australien, Großbritannien und Neuseeland, den Einheimischen blieb nur ein geringer Anteil am Ertrag aus der Phosphatgewinnung.
1968 aber erlangte Nauru die Unabhängigkeit und die völkerrechtliche Souveränität als Republik. Ab 1970 baute Nauru die Phosphate selbst ab – und wurde mit einem Mal zum zweitreichsten Staat der Welt (pro Kopf gerechnet).
Ein Paradies?
Ein Paradies? – Bis 2001 war die medizinische Behandlung kostenlos, es gab weder Steuern noch Gebühren für öffentliche Dienstleistungen. Die Nauruer besaßen im Schnitt – bei nur 29 Kilometern asphaltierter Straßen – zwei bis drei Autos. Man betrieb eine eigene Fluglinie, mit der man nach Australien flog, um sich mit hochpreisigen Konsumgütern einzudecken.
Arbeiten ließ man Gastarbeiter, während man seine Tage vor dem Fernseher oder bei Festen verbrachte. Ungesunde Ernährung führte dazu, dass heute nahezu die Hälfte der Nauruer fettleibig und/oder zuckerkrank ist.
Und der Rest vom vielen Geld?
Und der Rest vom vielen Geld? – Man investierte in Büro- und Geschäftszentren sowie Hotels, doch war man entweder naiv oder korrupt oder beides. Man investierte auch, weil bekannt war, dass spätestens ab 2000 zu wenig Phosphat zum Abbauen vorhanden sein würde. Schon 1990 war es so weit. Allmählich begann sich Armut auszubreiten.
Bald sank Nauru auf den Status eines Entwicklungslandes zurück. Eine Weile half man sich, indem man gegen Bezahlung Flüchtlinge aufnahm, die Australien nicht haben wollte. Schließlich fing man an, das übrig gebliebene, bescheidene Phosphatvorkommen abzubauen. Hoffnung gibt, dass sich der Phosphatpreis 2008 in weniger als zwölf Monaten verdreifacht hat …
Ein ökologisches und ökonomisches Desaster
„Die Erlösung soll aus derselben Quelle kommen, die alleinige Ursache für das leid des Landes ist“, schreibt Folliet. „Das Phosphat brachte Geld, das Geld wiederum verursachte das Müßiggängertum und den Kulturabbau der Bevölkerung. (…) Der Gewaltmarsch in Richtung Reichtum (…) endete mit der physischen Zerstörung des Heimatlandes und einem nur knapp vermiedenen Staatsbankrott. Dieser Staat muss nun sein Territorium verpachten, während sein Volk stirbt, weil es sich gehen lässt.“
Folliert zitiert den Australier Michael: „Nauru ist vor allem die Geschichte des Menschen. Ist sein materieller Wohlstand erst einmal gesichert, vernachlässigt er seine Kultur, vergisst seine Vergangenheit und pfeift auf seine Umwelt. Ich glaube, in diesem Punkt sind wir alle gleich, egal ob wir aus Nauru, der westlichen Welt oder China kommen.“
Und lässt das Schlusswort der Nauruerin Sunshine: „Wer wäre nicht gerne reich?“
Von Werner Schuster
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Infos:
Luc Folliet ist unabhängiger Journalist und lebt in Paris. Ende 2005 reiste er erstmals nach Nauru, um selbst zu sehen, ob das alles wahr ist.
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