30/05: Warten auf number9
Oops, da war ja einmal die Idee mit dem Journal, also Einblicke in die Produktion der Eselsohren zu geben. Der letzte Eintrag ist vom 5. April. Nun denn:
Habe vor Kurzem den Film „Cloud Atlas“ gesehen und genossen, auch wenn ich die Verbindung der sechs Handlungen beim Zusehen nicht immer verstanden habe. Schöne Bilder und beinahe großes Kino. – Das hat mich zur Romanvorlage geführt und zum Autor David Mitchell, von dem ich bis dahin noch nichts gehört und gelesen hatte. „Der Wolkenatlas“ hätte ich mir gleich als E-Book holen können, aber damit wollte ich warten, bis die Filmfiguren verblasst sind. Die anderen Mitchell-Romane gibt es „nur“ gedruckt und nach einigem Hin und Her habe ich mich für „number9 Dream“ entschieden.
Bis gut über die Hälfte war ich sehr angetan. Ich fand es großartig, wie Mitchell Phantasie-Sequenzen einführt, sodass man sich im Verlauf der fantastischen Handlung immer wieder fragt, was denn nun „echt“ und was (Tag-)Traum sein könnte. Was dem 19-jährigen Eijii Miyake passiert, einem Landei, das sich auf die Suche nach seinem nie gesehenen Vater nach Tokio aufmacht, ist jenseitig. Und das soll es auch sein. Und es macht Spaß.
Aber das letzte Kapitel und der Schluss haben mich enttäuscht. Nicht, weil es immer weiter ins Tag-Traumland abdriftet, sondern weil es die Spur der Erzählung verlässt. Gegen Ende zu jagt eine Naturkatastrophe die andere, ohne dass dies im Gesamtzusammenhang einen Sinn ergäbe, – und zu vieles bleibt offen: War der eine Typ nun Eijiis Vater oder nicht? Hat er seinen Vater nun finden wollen (und deswegen so viele Abenteuer bestehen müssen) oder sich seiner Mutter annähern oder seiner (früh verstorbenen) Zwillingsschwester? Und was ist daraus geworden, dass er ein Verbrechen öffentlich gemacht hat? Schließlich: Was sollte das Ganze überhaupt?
Schade. Ich dachte, ich hätte einen (für mich) neuen Autor entdeckt, von dem es noch einiges zu lesen gäbe, aber nach „number9 Dream“ hab ich (momentan) keine Lust darauf. Aber Mitchell hat mich (obwohl Engländer) an einige japanische Autoren erinnert, von denen ich gerne mehr gelesen hätte. Murakami zum Beispiel oder Hitonari Tsuji. Wenn ich an dessen „Warten auf die Sonne“ denke, erscheint mir „number9 Dream“ wie ein (ebenfalls saugut geschriebenes, aber) nicht zu Ende konzipiertes Anhängsel.