Widmer, Urs: Im Kongo
Kurzkritik – Was meinen Sie? – Ausführliche Besprechung – Infos
Roman
Diogenes
(1996)
Inhalt:
Der Altenpfleger Kuno erhält einen neuen Gast: seinen Vater. In der Abgeschiedenheit des Altersheims kommen sie endlich zum Erzählen. Kuno glaubte immer, sein Vater sei ein Langweiler, ohne Schicksal und ohne Geschichte – bis er mit einemmal merkt, daß dieser im Zweiten Weltkrieg einst Kopf und Kragen riskiert hat. Sein greiser Vater hat ein Schicksal, und was für eins! Diese Erkenntnis verändert Kunos Leben. Eine Reise in die eigenen Abgründe beginnt, in deren Verlauf es ihn bis in den tiefsten Kongo verschlägt. Sehnsüchte werden wach und Träume wahr: Jene lockende Ferne, die einst als Herz der Finsternis galt, wird zum abenteuerlichen Schauplatz von Wahnwitz, Wildheit und innerer Bewährung. (Pressetext)
Kurzkritik:
Mir ist schon klar, dass es Widmer hier nicht darum geht, eine Rasse zu diffamieren, sondern eher um eine Reise in die in uns allen schlummernde Vorzeit (– welche der Schweizer Vergangenheit im Zweiten Weltkrieg gegenübergestellt wird), aber mir ist nicht ganz wohl dabei, dass “die Schwarzen” herhalten müssen, um Urprünglichkeit darzustellen.
Werner gibt (3,75 von 5 Eselsohren)
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Negerhäuptling
“Im Kongo” ist das Buch von Urs Widmer, mit dem ich Schwierigkeiten habe. Das hat mit der grassierenden Political Correctness zu tun, mit Stereotypen und wohl auch damit, dass in Österreich Schwarze als Drogendealer stigmatisiert werden.
Und so ist es mir unangenehm zu lesen, wie der Altenpfleger Kuno Lüscher seinen Jugendfreund Willy im Kongo sucht, welcher dort zum Schwarzen mutiert ist. Mit Kuno passiert dasselbe und dann trifft er auf – von Widmer so genannte – Neger-Stämme und -Häuptlinge, die so lustvoll, grausam und urtümlich sind, wie man sich das von Ureinwohnern erwartet.
Die “ursprünglichen” Schwarzen
Mir ist schon klar, dass es Widmer hier nicht darum geht, eine Rasse zu diffamieren, sondern eher um eine Reise in die in uns allen schlummernde Vorzeit (– welche der Schweizer Vergangenheit im Zweiten Weltkrieg gegenübergestellt wird), aber mir ist nicht ganz wohl dabei, dass “die Schwarzen” herhalten müssen, um Urprünglichkeit darzustellen.
Deswegen hat sich mir dieser Roman auch nach mehrmaligem Lesen nicht ganz erschlossen, wiewohl die Selbstfindung Kunos – ausgelöst dadurch, dass er sich in seinem für langweilig gehaltenen Vater und im bewunderten Vater Willys grundsätzlich geirrt hat (der eine hat gegen die Nazis spioniert, der andere mit ihnen kollaboriert) – wiewohl diese Selbstfindung im tiefen Dschungel grandios beschrieben wird: Phantastisch, lakonisch und poetisch.
Ein Seelen-Kongo
Aber man kann “Im Kongo” auch ganz anders sehen: Urs Allemann (von der Basler Zeitung) etwa meinte, “ein Ur-, ein Traum-, ein Seelen-Kongo ist das, eine Metapher für das nicht fassbare Tosen unnennbarer Gefühle, ein Land, in dem blutgeile Walddämonen, Teufelsgötter, Löwenherrscher, Giganten, maskierte Stammeshäuptlinge um ein unheimliches Feuer hocken, das tief in uns brennt, wo die Seelenkarten noch immer die weißen Flecken zeigen, die aus den Weltkarten verschwunden sind.”
Von Werner Schuster
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Urs Widmer, geboren 1938 in Basel, studierte Germanistik, Romanistik und Geschichte in Basel, Montpellier und Paris. 1966 promovierte er mit einer Arbeit über die deutsche Nachkriegsprosa. Danach arbeitete er als Verlagslektor im Walter Verlag, Olten, und im Suhrkamp Verlag, Frankfurt. Heute lebt und arbeitet Urs Widmer als Schriftsteller in Zürich. Er ist verheiratet und hat eine Tochter. 2007 erhielt Urs Widmer den Friedrich-Hölderlin-Preis der deutschen Stadt Bad Homburg.
Über Widmer bei Wikipedia.
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