Leidenfrost, Martin: Die Welt hinter Wien
Kurzkritik – Was meinen Sie? – Ausführliche Besprechung – Infos
Reportagen
Hardcover: Picus, 2008
Inhalt:
Martin Leidenfrost ist Österreicher und lebt seit 2004 im slowakischen Grenzort Devínska Nová Ves, auf der langsam vernarbenden Naht des Eisernen Vorhangs. Von dort sind es nur wenige hundert Meter nach Österreich, dreißig Kilometer nach Ungarn und fünfzig in die Tschechische Republik. Ein Jahr lang tauchte Leidenfrost Woche für Woche in eine andere Sphäre, in eine andere Sprache, in ein anderes Milieu ein. Aus der Summe dieser Wanderungen entstand das Porträt einer verblüffend vielfältigen Region. (Pressetext)
Kurzkritik:
Bei manchen Büchern ärgert man sich, dass man nicht selbst auf diese Idee gekommen ist (selbst wenn man diese wohl nie in die Tat umgesetzt hätte). “Die Welt hinter Wien” ist so eines. Es beschreibt das, was Wirtschaftstreibende CEE nennen, von unten, besser gesagt: auf Augenhöhe mit den dort lebenden Menschen. Näher wird man der für viele wohl abstrakten Region Centrope kaum kommen – es sei denn, man fährt selbst hin.
Werner gibt (4 von 5 Eselsohren)
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Auf Augenhöhe
Bei manchen Büchern ärgert man sich, dass man nicht selbst auf diese Idee gekommen ist (selbst wenn man diese wohl nie in die Tat umgesetzt hätte). “Die Welt hinter Wien” ist so eines. Es beschreibt das, was Wirtschaftstreibende CEE nennen, von unten, besser gesagt: auf Augenhöhe mit den dort lebenden Menschen.
Martin Leidenfrost ist tatsächlich “dorthin” gegangen, hat den Eisernen Vorhang in seinem Kopf überwunden wie wohl wenige hier im Osten Österreichs (wenn sie nicht gerade Geschäfte machen mit dem ehemaligen Ostblock) und sich mit vorgeblich naiver Neugier umgesehen. Ein Jahr lang, von Oktober 2006 bis Oktober 2007, ist er “jede Woche an einen anderen Ort gegangen und in eine andere Sphäre getaucht, in Shoppingcenter und Roma-Slums, in Business-Towers und Dorfkaschemen, in Stauseen, Wohnstuben, Grenzorte, Puff-Hütten und Verkäufer-Seminare, in schwule Pferdefarmen und in hussitische Messen.”
Menschenliebe und Sarkasmus
Diese 50 – in einer Mischung auf Menschenliebe und Sarkasmus – beschriebenen Expeditionen hat er in einer Serie in der Wochenendbeilage “Spectrum” der Wiener Tageszeitung “Die Presse” veröffentlicht, welche mit dem Journalistenpreis “Writing for CEE 2007” ausgezeichnet wurde.
Wer diese Serie oder Teile davon versäumt hat, denen kann ab sofort geholfen werden: Der Picus Verlag hat sie in Buchform herausgebracht, und ausnahmsweise zitiere ich den Klappentext: Die Geschichten aus einer Gegend, die auf vier Staaten, vier Staatssprachen und Dutzende Ethnien verteilt ist, erzählen von der Wirklichkeit der europäischen Integration.
Inside Centrope
Nicht nur deshalb dürfte “Die Welt hinter Wien” auch für andere EU-BürgerInnen als die aus dem Umland von Interesse sein. Näher wird man der für viele wohl abstrakten Region Centrope kaum kommen – es sei denn, man fährt selbst hin.
Von Werner Schuster
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Martin Leidenfrost, geboren 1972 in Amstetten, studierte Buch und Dramaturgie an der Wiener Filmhochschule und an der Filmhochschule Babelsberg. Drehbuchautor (u. a. Struggle, 2003 Cannes, sélection officielle, un certain regard) und freier Autor von Essays, Reportagen, Feuilletons und Kolumnen. Lebt und arbeitet heute in Devínska Nová Ves in der Slowakei, 40 km von Wien.
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