Zum Beispiel Ringelnatz #3
Ich habe das nicht gewusst. Also, dass Ringelnatz auch Maler war.
Um ehrlich zu sein, besaß ich lange Jahre nur ein kleines, schmale Bändchen (Buchgemeinschafts-Ausgabe) mit einer Art Best-of-Gedichte-Sammlung (die ich beim Ausziehen aus dem Elternhaus mitgehen hab lassen). Hardcover, violetter Einband. Vorne drauf ein Rettungsring, dahinter ein Bullauge, aus dem wohl der Autor rausschaut, und ein Galgenstrick, bei dem die Schlinge nach oben schaut (man kann darin auch ein Schiffstau erblicken).
Gefühlte tausend Mal gelesen.
Den Seemannsgedichten rund um Kuttel Daddeldu konnte ich nie viel abgewinnen (ich habe allerdings Schifffahrts-Angst; das ist dasselbe wie Flugangst, nur auf Schiffen) und auch den Turngedichten nicht (obwohl, wie ich jetzt bei Wikipedia erfahre, diese „parodieren und karikieren in virtuos gehandhabten Versen in verschiedensten Reimarten, Verslängen und Metren, mit Neologismen und absichtlich falsch angewandter Grammatik die ideologisch-völkische Ausrichtung des Sports nach Turnvater Jahn“).
Ringelnatz‘ Gedichte für Kinder hingegen waren eindeutig mein Fall. „In Gedichtform (steht wieder bei Wikipedia; Anm.) gibt Ringelnatz den Kindern Anweisungen für völlig unpädagogische Spiele: Sie sollen Tiere quälen, die Wohnung verschmutzen und Möbel zerstören, aus Exkrementen Klöße kneten und anschließend mit dem Mund auffangen, Bomben bauen (mit Benzin und Feuer!), andere Kinder anspucken, mit Salzsäure experimentieren und die Eltern mit angeblichen psychischen Erkrankungen ängstigen. Stellen die Eltern die Kinder dann zur Rede, empfiehlt Ringelnatz Lügen und Ausreden.“
Das Doktor-Knochensplitter-Spiel
Dazu braucht man nicht viel.
Nur ein Gänse- oder Hühnerknöchelchen.
Du, Berta, bohrst ein Löchelchen
Ins Sofa und schiebst das Knöchelchen
Weit rein, doch immer dicht unter die Sofahaut,
Daß man‘s von außen wie Knorpel anfassen kann,
Was wie Geschwulst ausschaut.
Das Sofa ist dann dein Mann.
Ich bin der Doktor Frank.
Du sagst: „Mein Mann ist so krank.“
Ich fühle und sage mit ernster Miene:
„Er hat einen Splitter im Herzen sitzen“,
Und nehme das Ölkännchen von eurer Nähmaschine,
Um erstmal Betäubung in das Geschwür einzuspritzen.
Nun kommt die Operation; das ist das Schwere.
Ich nehme ein Messer und eine Schere.
Du nimmst ein Handtuch und fürchtest dich, zuzusehn;
Darum drückst du die Augen zu.
Ich tu einen scharfen Schnitt, greife dann
‚Äî das muß wie der Blitz geschehn ‚Äî
Mit der Zange (das ist die Schere) im Nu
Den Knochen aus deinem Mann.
Weil, wenn ich ihn nicht beim ersten Male geschickt
Gleich rausbekomme, ‚Äî ist die Operation mißglückt.Das nächste Mal bist du Doktor Frank,
Und mein Mann ist krank.Angst darfst du nicht haben. Denn meine und deine
Eltern können uns – Weißt du, was ich meine?!?
Jedenfalls sind in dem Bändchen keine Bilder, die Ringelnatz gemalt hat, sondern etliche zu ihm passende Super-Linolschnitte (von einem Herrn Willberg). Obwohl Ringelnatz auch Maler war.
Darüber wollte ich heute ja auch eigentlich schreiben. Aber jetzt ist das eh schon so lang geworden.
Beim nächsten Mal, o.k.?
© Werner Schuster
Zum Beispiel Ringelnatz #1 – sein abenteuerliches Leben
Zum Beispiel Ringelnatz #2 – seine (Liebes-)Lyrik und sein Großstatdtroman
Zum Beispiel Ringelnatz #4 – seine Malerei
Zum Beispiel Ringelnatz #5 – eine persönliche Best-of-best-of-Auswahl
Zum Beispiel Ringelnatz #1 – sein abenteuerliches Leben
Zum Beispiel Ringelnatz #2 – seine (Liebes-)Lyrik und sein Großstatdtroman
Mehr bei den Eselsohren
- von: Werner
- was: Porträts
- wer/wie/wo: Deutschland (AutorIn)
Druckversion