Die Auster Michael
Nachdem ich kurz nach seinem Tod vor allem bei einigen seiner Fans wegen meiner Meinung über Michaels Kinderliebe ins Fettnäpfchen getreten war (nach dem Motto: „Wen wir lieben, der schändet nicht“), habe ich über Herrn Jackson genau so viel nachgedacht wie zu seinen Lebzeiten. Nämlich gar nicht.
Aber weil man mir derzeit – mit dem Tribute hat es ja nicht so recht geklappt – auf öffentlichen Plakaten dubiose Michael-Jackson-Shows und -Filme anbietet, habe ich mir das Ganze nochmals durch den Kopf gehen lassen und bin zu dem Schluss gekommen: Michael Jackson ist wahrscheinlich kein Kinderschänder gewesen, sondern die tragische Figur eines real existierenden Peter Pan, also im unschuldigen vor- oder frühsexuellen Stadium hängen geblieben.
Es kommt zwar in den besten Familien vor, dass ehemalige Opfer zu Tätern werden, aber Michael war, glaube ich, bloß ein armes Schwein. Sein ganzes Leben wurde er nur ausgebeutet, zuerst von seinem bösen Vati, dann von seiner Schallplattenfirma, schließlich von seinen falschen Freunden.
So toll war der doch gar nicht
Weil, sind wir uns doch ehrlich: So toll war der doch gar nicht. Es hat gut tanzen und sich in den Schritt fassen können, und sein Gesang war auch o.k. Aber dass sich seine LPs so gut verkauft haben, liegt für mich daran, dass man für seine mit sehr viel Geld produzierten Nummern mit einem unglaublichen Marketingbudget geworben hat.
Und dass er der richtige Schwarze zum richtigen Zeitpunkt war. „Richtiger Schwarzer“ nämlich deswegen, weil er ja allem Anschein nach gar keiner sein wollte. Man hatte also keinen aufmüpfigen „Nigger“ zu befürchten, konnte sich vielmehr an jemandem erfreuen, der seine Rasse verleugnet hat.
Und dann hat dieses arme Hascherl irgendwie nicht gewusst, was es mit dem vielen Geld tun soll. Und so haben es seine „Freunde“ ausgepresst wie eine Zitrone. Oder die Zitronen waren nur dazu da, die Auster Michael zu würzen, die man genüsslich ausgeschlürft hat.
Schlösser und Kinderspielplätze
Ein bisschen Taschengeld ist doch übrig geblieben, und mit dem hat er sich so tolle Sachen wie Schlösser und Kinderspielplätze kaufen können. Und dort hat er dann mit den Kindern gespielt.
Ich meine das eindeutig: Ich glaube, er hat nur Nähe gesucht und es war alles ganz harmlos gemeint. Vielleicht war es nicht einmal gemeint, sondern Michael hat unbewusst seine verlorene Kindheit nachzuholen versucht. Ich denke, alle Wunderkinder brauchen das, aber nur die wenigsten können sich diesen Traum erfüllen.
Hau mich, ich greif mir an die Nudel
Ich finde, dazu passt, dass er etwas, das man in jedem besseren Pantomime-Kurs lernt, Moonwalk genannt hat. Klein Michael wollte endlich den Mann im Mond kennen lernen. Der hätte ihn dann aus seiner lebenslangen Sklaverei befreit.
Sollte er also wirklich nichts Schändliches gemacht und das viele Schweigegeld ganz umsonst ausgegeben haben?
Was ist schließlich mit seiner berühmten Geste? Ist die nicht eindeutig sexueller Natur? – Ich denke: nein. Für mich ist das bloß eine „schlimme Handlung“, die ein kleiner Bub so lange wiederholt, bis es selbst seinem bösen Vati zu langweilig wird und der ihn nicht mehr bestraft.
Eine andere traurige Geschichte
Keine Schläge – also „Zuwendung“ – mehr, und dann jubeln ihm die Fans jedes Mal dafür zu. Und zu seiner jämmerlichen Zirkuspferd-Nummer „Moonwalk” kreischen sie, als ob das was Besonderes wäre.
Armer Michael. So einsam war wohl kaum ein anderer Superreicher. Und dann hat er nur noch Geld, aber keinen Erfolg mehr. Und dann hat er auch kein Geld mehr. Jetzt kassieren noch ein paar in oder mit seinem Namen ab, und das war‘s dann.
Denn ich bin der Meinung, dass von Michael Jackson nicht viel bleiben wird, also musikalisch. Schließlich kann man sich nicht einmal mehr Prince anhören, und der war wenigstens originell. Aber das ist eine andere traurige Geschichte.
Werner Schuster