Adiga, Aravind: Der weiße Tiger
Kurzkritik – Was meinen Sie? – Ausführliche Besprechung – Infos
Roman
Aus dem Englischen von Ingo Herzke
Hardcover: C. H. Beck
Tascehnbuch: dtv, 2010
(„The White Tiger“, Free Press, 2008)
Inhalt:
Balram – der »weiße Tiger« – kommt aus einem Dorf mitten in Indien. Seine düsteren Zukunftsaussichten hellen sich auf, als er, der klügste Junge im Dorf, als Fahrer für den reichsten Mann am Ort engagiert wird und mit ihm nach Delhi kommt. Vom Steuer eines Honda City aus entdeckt Balram eine neue Welt. Alkohol, Geld, Mädchen und Macht – das Indien der Kakerlaken und Callcenter, der Prostituierten und Gläubigen, der alten Traditionen und der Internetcafés, der Wasserbüffel und des mysteriösen »weißen Tigers«, der vom Diener zum Philosophen, Unternehmer und schließlich zum Mörder wird. (Pressetext)
Kurzkritik:
Aus einem ohnedies schon viel versprechenden Set-up macht Aravind Adiga mehr als einen witzigen, boßhaften und klugen Roman – in „Der weiße Tiger“ fängt er so viel Welt ein, wie es mit Literatur möglich ist.
Werner gibt (4,5 von 5 Eselsohren)
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Ein Knecht wird Herr
Ein indischer Start-up-Unternehmer namens Balram schreibt an den chinesischen Ministerpräsidenten, der angeblich die Stadt Bangalore besuchen wird, und schon auf Seite drei des ersten Briefes enthüllt dieser Unternehmer, der sich als sehr erfolgreich bezeichnet, dass er einmal als Diener gearbeitet hat. Bald erfährt man auch, dass er so gut wie keine Schulbildung hat, dass dennoch ein Fahrer aus ihm geworden ist – und dass er ein gesuchter Mörder ist.
Aus diesem ohnedies schon viel versprechenden Set-up macht Aravind Adiga mehr als einen witzigen, boßhaften und klugen Roman – in „Der weiße Tiger“ fängt er so viel Welt ein, wie es mit Literatur möglich ist. Wir erfahren viel über uns selbst als Arbeitnehmer und -geber.
Wahltimmen-Kauf
Auch wenn uns Balram auf den ersten Blick bloß erzählt, wie es in Indien tatsächlich zugeht. Im Indien der Armen soll er ein Stipendium erhalten, damit er an eine gute Schule gehen kann, – aber kurz danach heiratet seine Schwester, und er muss statt dessen in einem Teehaus arbeiten, damit seine Familie die Hochzeit ausrichten kann. Unser armer Inder war sein Leben lang wählen, obwohl er noch nie eine Wahlzelle von innen gesehen hat. Seine Stimme wird ihm abgekauft.
Und im Indien der Reichen herrscht vor allem Korruption: Wer ein Unternehmen hat, tut gut daran, Politiker zu bestechen, damit die Firma bestehen bleibt. Auch das lernt Balram, als er Fahrer eines Familienunternehmens wird – um dieses Wissen später für sein eigenes Unternehmen einzusetzen.
Kleine Leute klein halten
Balram beschreibt auch, wie ihm allmählich klar wird, dass Diener eigentlich in einem Gitterkäfig leben, ohne dass ihnen dies bewusst ist. Zum Beispiel hat er keine Lust mehr, zu Prostituierten zu gehen, weil hier ein Gefangener die anderen ausnutzt. Und er wendet sich auch von seiner Familie und seinem Heimatdorf ab, welche „Systeme“ die kleinen Leute klein halten.
Balram weiß auch, dass er es auf redliche Art zu nichts bringen wird. Deshalb ermordet er seinen Herrn, um … nein, das sollte man nicht verraten. Jedenfalls gelingt es ihm, die Seiten zu wechseln, auch weil der Steckbrief, mit dem nach ihm gesucht wird, auf jeden zweiten indischen Mann ebenfalls zutreffen würde, und weil die indische Polizei … nun, ihre Schwächen hat.
Eine Welt der Herren und Knechte
Worüber Balram nie schreibt, ist die Liebe. Aber was sollte die auch in einer Welt der Herren und Knechte verloren haben, die Adiga in so vielen Facetten amüsant und schwarz-humorig nachzeichnet?
Von Werner Schuster
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Über Aravind Adiga bei Wikipedia.
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