Prieto, José Manuel: Die kubanische Revolution …
Kurzkritik – Was meinen Sie? – Ausführliche Besprechung – Infos
… und wie erkläre ich sie meinem Taxifahrer
Sachbuch (Politik)
Aus dem Spanischen von Susanne Lange
Taschenbuch: Suhrkamp, 2008
(„La revolución cubana explaicada a los taxistas“, 2008)
Inhalt:
Ob New York, Rom, Wien oder Berlin – immer wenn der Kubaner José Manuel Prieto von einem Taxifahrer gefragt wird, woher er denn sei, hört er ein begeistertes »Ah, Fidel Castro!« Wie kommt es zu diesem vital strahlenden Bild der kubanischen Revolution und Fidel Castros? Hat die Wirklichkeit nicht längst alles Triumphale abgeschabt? In sehr persönlichen, nicht eifernden, eher schmerzvollen kleinen Schritten rekapituliert Prieto Momente der Kindheit, als Politik keine Sache des Urteils war, sichtet die öffentlichen und die intimeren Aspekte Kubas. Dabei meißelt er keine Eindeutigkeiten heraus, er schildert die Dinge vielmehr als unausweichlich komplex und ambivalent. (Pressetext)
Kurzkritik:
Nach diesem Buch unterschreibe ich diesen Satz: „Berücksichtig man den hohen Preis von Castros „Triumph“ und schaut sich die offenkundige Katastrophe an, berücksichtigt man den erbärmlichen Zustand, in den er das Land gebracht hat, die chronische Unterversorgung, die fast an Bedürftigkeit grenzt, berücksichtigt man die erschreckende Spaltung der Nation, die unendlich große Diaspora, müßte ich vom eklatanten Scheitern Castros (und der kubanischen Revolution) sprechen.“
Werner gibt (4 von 5 Eselsohren)
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Die Entzauberung Fidel Castros
Wie ich anlässlich der Castro-Biografie festgestellt habe, war ich einmal nicht grundsätzlich ein Feind der kubanischen Revolution. Damals, vor etwa einem Monat, habe ich „bin“ geschrieben, doch mittlerweile habe ich auch Prietos Ausführungen gelesen – und einen blinden Fleck verloren.
Castros Darstellung hielt ich bloß für eine Selbstbeweihräucherung und dachte immer noch, die Befreiung der Kubaner vom diktatorischen Batista sowie das US-Hanelsembargo würden die weniger demokratischen Züge von Castros Revolution rechtfertigen.
Doch dann ließ ich mich von Prieto fragen, warum ich die mir ohnedies bekannten Fakten (Menschenrechtsverletzungen, ökonomische Dauerkrise, niedriger Lebensstandard etc.) denn nicht als das verstanden hätte, was sie sind: Hinweise auf bloß eine weiteres diktatorisch geführtes Dritte-Welt-Land, das allerdings gute medizinische Versorgung und ein hohes Bildungsniveau aufzuweisen hat.
Das Gute ist keine Rechtfertigung
Prieto räumt auch stets ein, dass Castro und seine Kumpane auch Gutes bewirkt hätten. Nur könne dieses Gute keine Rechtfertigung des Schlechten sein, meint Pieto, der nicht versteht, wieso es den Mythos Kuba und die Castro-Verehrung immer noch gibt.
Mein Castro-„Denkmal“ begann gewissermaßen zu wanken, als Prietos fragte, ob es denn nicht peinlich wäre, dass Castro immer noch in Soldatenuniform herumlaufe. Doch immer noch wehrte ich mich gegen die Entzauberung, indem ich unterstellte, Prieto sei halt ein Benachteiligter der Revolution. Bis ich las, dass er eigentlich zu deren Begünstigten gehört hatte (– sein Vater hatte eine riesige, von den Revolutionären konfiszierte Villa übernommen und Prieto war in der besten Schule Kubas unterrichtet worden).
Eklatantes Scheitern
Ab dann wurde ich sentimental („meine“ kubanische Revolution!), bis ich – kaum noch zögernd – mit Prieto folgenden Satz sprechen konnte:
Berücksichtig man den hohen Preis von Castros „Triumph“ und schaut sich die offenkundige Katastrophe an, berücksichtigt man den erbärmlichen Zustand, in den er das Land gebracht hat, die chronische Unterversorgung, die fast an Bedürftigkeit grenzt, berücksichtigt man die erschreckende Spaltung der Nation, die unendlich große Diaspora, müßte ich vom eklatanten Scheitern Castros (und der kubanischen Revolution) sprechen.
Von Werner Schuster
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José Manuel Prieto, 1962 in Havanna geboren, studierte Ingenieurwissenschaften in Nowosibirsk in der ehemaligen UdSSR, wo er nach dem Diplom weitere 12 Jahre lebte und die verschiedensten Berufe ausübte. Er übersetzte u.a. Werke von Anna Achmatowa, Andrej Platonow, Wladimir Majakowski, Gennadij Ajgi, Marina Zwetajewa, Joseph Brodsky, Alexander Solschenizyn und Vladimir Nabokov ins Spanische. Mit seiner russischen Frau und seiner Tochter lebt er in Mexiko-Stadt, wo er russische Geschichte lehrt.
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