Abonji, Melinda Nadj: Tauben fliegen auf
Kurzkritik – Was meinen Sie? – Ausführliche Besprechung – Infos
- Hardcover
- Erschienen 2010 bei Jung & Jung
Inhalt:
Eine ungarische Familie aus Serbien in der Schweiz. Es ist ein schwieriges Zuhause, von Heimat gar nicht zu reden, obwohl sie doch die Cafeteria betreiben und obwohl die Kinder dort aufgewachsen sind. Die Eltern haben es immerhin geschafft, aber die Schweiz schafft manchmal die Töchter. Bleiben da wirklich nur die Liebe und der Rückzug ins angeblich private Leben? (Pressetext)
Kurzkritik:
Von der Vojvodina in die Schweiz, mehrmals hin und zurück – der Roman erzählt von einem Aufwachsen im Dazwischen und auch vom Balkankrieg, der durch Anrufe, Briefe und Augenzeugen in greifbare Nähe rückt.
Sabine gibt (4 von 5 Eselsohren)
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Was Ankommen bedeutet
Eine junge Ex-Jugoslawin, die nicht Serbokroatisch spricht, weil sie aus der ungarischen Minderheit kommt, soll Schweizern Mitte der 1990er Fragen zum Balkankrieg beantworten. Wie es ihrer Familie gehe? Ob sie schon das Neueste gehört habe? Da hilft nur freundlich nicken und weiter abservieren.
Ildiko, die eigentlich schon Schweizerin, aber doch noch irgendwie Immigrantin ist, wurde gemeinsam mit ihrer Schwester Nomi von ihren Eltern in die neue Heimat nachgeholt, nachdem diese als Gastarbeiter in den 1980ern in die Schweiz gegangen waren. Mittlerweile sind sie alle vier offiziell Schweizer und betreiben das Traditionscafé Mondial. Während die Eltern und Nomi es hinnehmen, dass sie sich immer noch beweisen müssen, und dass sie gefragt werden, wie sie denn zu dem Café gekommen sind, fühlt Ildiko sich zusehends unwohl und beim Servieren fortwährend beobachtet.
Reisen in die Vojvodina
Sie erzählt in lose aneinander anknüpfenden, nicht chronologisch geordneten Episoden von ihrem Aufwachsen in der Schweiz und auch von den Reisen zurück in die Heimat, die Vojvodina, wo die Onkel, Tanten und die Großmutter noch auf Bauernhöfen leben und arbeiten. Die detailreichen Beschreibungen vermitteln einen lebendigen Eindruck vom Landleben, von den Festen und von der Stimmung im Schweizer Café.
Nomi und ich
Etwas zu kurz kommen dabei leider die Figuren, so hat man zu Beginn oft nicht den Eindruck, es wirklich mit einer Ich-Erzählerin zu tun zu haben: Ildiko erzählt meist von „Nomi und ich“, sodass man die Schwestern als Einheit wahrnimmt. Erst mit der Zeit treten die beiden und ihre unterschiedlichen Lebensweisen klarer hervor, Ildiko stellt sich selbst jedoch die ganze Erzählung über in den Hintergrund, wie sie sich bei ihrer Arbeit im Café auch am liebsten hinter dem Buffet verstecken würde, um ihre Ruhe zu haben.
Aufwachsen im Dazwischen
Von der Vojvodina in die Schweiz, mehrmals hin und zurück – der Roman erzählt von einem Aufwachsen im Dazwischen und auch vom Balkankrieg, der durch Anrufe, Briefe und Augenzeugen in greifbare Nähe rückt. Er fragt auch – Ildiko fragt sich – was Ankommen bedeutet und bis zuletzt, wie es sich anzufühlen hat.
Von Sabine Schönfellner
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Melinda Nadj Abonji wurde 1968 in Becsej, Vojvodina, geboren. Sie ist Autorin, Musikerin und Textperformerin und lebt in Zürich. Für ihre Arbeit erhielt sie ein Aufenthaltsstipendium am Literarischen Colloquium Berlin und den Hermann-Ganz-Preis 2001.
Mehr über Melinda Nadj Abonji bei Wikipedia.
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