Nadolny, Sten: Weitlings Sommerfrische
Kurzkritik – Was meinen Sie? – Ausführliche Besprechung – Infos
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Inhalt:
In einem Sommergewitter kentert das Segelboot des angesehenen Berliner Richters Wilhelm Weitling. Er kommt nur knapp mit dem Leben davon, muss aber feststellen, dass ihn sein Unfall fünfzig Jahre in die Vergangenheit zurückgeworfen hat. Neugierig, aber auch mit sanfter Kritik begleitet er den Jungen, der er einmal war, durch die Tage nach dem Sturm. (Pressetext)
Kurzkritik:Die Diskussion von Glaubensfragen – so fragt sich Weitling etwa, wie seine „Zeitreise“ mit der Existenz Gottes vereinbar ist – ist für Leser, die sich solche Fragen nicht stellen, weniger interessant. Auch ist es schade, dass im Roman mehrmals darauf hingewiesen wird, dass diese Reisen immer wieder passieren, womit Weitlings Reise einen mythisch-esoterischen Anklang erhält.
Empfehlenswert ist der Roman dennoch, denn er regt dazu an nachzudenken, wie man über sich selbst denkt und wie man frühere Handlungen beurteilen würde. Ebenso lesenswert macht ihn die Tatsache, dass Weitlings Aufenthalt in der Vergangenheit so ausführlich geschildert wird – mit jedem Detail und jeder neuen Veränderung fragt sich der Leser ebenso wie Weitling, was sich wohl noch verändern wird und welche Auswirkungen das hat.
Sabine gibt (3,75 von 5 Eselsohren)
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Sich selbst als 16-Jährigem über die Schulter schauen
Könnte man sich selbst als Jugendlichen noch einmal sehen, wie würde man dann wohl über sich denken? Dem pensionierten Richter Wilhelm Weitling passiert genau das: Er verunglückt beim Segeln am Chiemsee, wie er als 16-Jähriger schon einmal gekentert ist, und beobachtet fortan aus einer Geisterperspektive, wie sein 16-jähriges Ich gerettet wird. Er kann nicht eingreifen in das Geschehen, sondern nur beobachten. Und so ist er an einen 16-Jährigen gebunden, über dessen Selbstüberschätzung und Träumereien er sich wundern und bald auch ärgern muss – so hatte er sich nicht in Erinnerung!
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Parallelen und Verschiebungen
Weitling stellt immer mehr Veränderungen im Vergleich zu seiner eigenen Vergangenheit fest: Es fängt schon damit an, dass vom Segelunfall keine Narbe an der Hand zurückbleibt. Doch auch schwerwiegendere Dinge verändern sich, so wird der Roman seines Vaters nicht, wie er es in Erinnerung hatte, ein großer Erfolg, dafür veröffentlicht seine Mutter einen Familienroman.
Ängstlich fragt er sich, welche Auswirkungen das wohl auf seine eigene Zukunft haben könnte – sofern er in der Zukunft denn noch lebt. Als er dann nach monatelangen Beobachtungen wieder zu sich kommt, ist er plötzlich nicht mehr pensionierter Richter, sondern Schriftsteller, auch in seiner Familie hat sich einiges verändert. Seine bisherige Vergangenheit ist nur mehr eine mögliche Parallelexistenz, ein Gedanke, an den er sich erst gewöhnen muss.
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Über sich selbst urteilen
Die Diskussion von Glaubensfragen – so fragt sich Weitling etwa, wie seine „Zeitreise“ mit der Existenz Gottes vereinbar ist – ist für LeserInnen, die sich solche Fragen nicht stellen, weniger interessant. Auch ist es schade, dass im Roman mehrmals darauf hingewiesen wird, dass diese Reisen immer wieder passieren, womit Weitlings Reise einen mythisch-esoterischen Anklang erhält.
Empfehlenswert ist der Roman dennoch, denn er regt dazu an nachzudenken, wie man über sich selbst denkt und wie man frühere Handlungen beurteilen würde. Ebenso lesenswert macht ihn die Tatsache, dass Weitlings Aufenthalt in der Vergangenheit so ausführlich geschildert wird – mit jedem Detail und jeder neuen Veränderung fragt sich der Leser ebenso wie Weitling, was sich wohl noch verändern wird und welche Auswirkungen das hat.
Von Sabine Schönfellner
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Sten Nadolny, geboren 1942 in Zehdenick an der Havel, lebt in Berlin und am Chiemsee. Für sein Werk wurde er unter anderen mit dem Ingeborg-Bachmann-Preis 1980, dem Hans-Fallada-Preis 1985, dem Premio Vallombrosa 1986, dem Ernst-Hoferichter-Preis 1995 und dem Weilheimer Literaturpreis 2010 ausgezeichnet. Nach seinem literarischen Debüt »Netzkarte« erschien 1983 der Roman »Die Entdeckung der Langsamkeit«, der in alle Weltsprachen übersetzt inzwischen zum modernen Klassiker der deutschsprachigen Literatur geworden ist.
Mehr über Sten Nadolny bei Wikipedia.
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