Gestalt für Gehalt
Wie, warum und zu welchem Ende dieser Bücher-Blog? Inklusive Gedanken darüber, was ein Gedicht ist.
Ist das der Start einer Wiederbelebung (meines 2013 eingestellten Online-Büchermagazins „Eselsohren“)? Wahrscheinlich nicht. Ich möchte nur eine andere Form des Buch-Besprechens ausprobieren, weil mir das herkömmlich Rezensieren nicht behagt (– Näheres dazu vielleicht ein anderes Mal). Die vorerst noch grobe Idee ist simpel: Lektüre-Notizen; über meinen „Pile of Tales“ zu berichten. (Das leitet sich von „Pile of Shame“ ab; Ich erkläre dies, weil Eva meint, meine Anspielungen versteht nie jemand. Also: Thema ist mein Bücher-Stapel.)
Im Moment – ich bin auf Kurzurlaub – stapeln sich:
- Doppelinterpretationen, herausgegeben von Hilde Domin: eine Zusammenstellung von (1966) zeitgenössischen Gedichten, die sowohl von den Autor*innen als auch von Rezensent*innen besprochen wurden. (Mehr dazu unten.)
- Eric Ambler: Der Fall Deltschev. – Ein schon vor einer Weile um € 3,95 erstandenes Buch, das ich mitgenommen habe, falls mir die anderen zu anstrengend würden.
- Marco Pogo: Geschichte. – Ein Weihnachtsgeschenk von Eva, das ich mitgenommen habe, falls mir Ambler zu anstrengend würde.
- Robert Feldman: Lügen. – Hab ich schon mal durchgearbeitet, um mir dabei eine Anregung für eine oder mehrere Storys zu holen.
- Klaus Modick: Konzert ohne Dichter. – Ist mir vor Kurzem zufällig in die Hände geraten. Bin sehr angetan von der angenehm (absichtlich) altmodischen Schreibweise und vom gekonnten Aufbau. Außerdem wird der Mensch Rilke behandelt (und vom hohen Ross geholt).
- Brigitte Kronauer: Das Schöne, Schäbige, Schwankende. – Wundersame und wunderbar geschriebene Kurzbeschreibungen von Menschen.
- Mein Tolino, falls wirklich alle Stricke reißen (mit Werken von Boyd, Kermani, Dumas, Atwood, Fry, Ther, …).
Anmerkung: ich bin für 2,5 Tage verreist.
Aber man weiß ja nie, wie man drauf ist, wozu man in der Lage ist, was einen freut, usw.
Richtig: ich bin ein Bücher-Narr, früher (2007–2013) war ich „Mr. Eselohren” und habe drei Rezensionen pro Woche veröffentlicht (die meisten vor mir selbst verfasst), dazu Neuigkeiten und Storys aus der Welt der Bücher sowie eine wöchentliche Glosse. (Näheres dazu vielleicht ein anderes Mal.)
Heute widme ich mich mal den Doppelinterpretationen, herausgegeben von Hilde Domin: eine Zusammenstellung von zeitgenössischen Gedichten, die sowohl von den Autor*innen als auch von Rezensent*innen besprochen werden.
Hab ich schon einmal „durchgearbeitet“. Da ich gerne meine Tage mit dem Lesen eines Gedichtes beginne, weil das Geist und Sinne belebt, möchte ich jetzt die Gedichte ohne Unterweisungen lesen. (Vielleicht hätte ich zuerst nur die Gedichte lesen sollen und dann in einem zweiten Durchgang mit den „Unterweisungen”, aber dazu ist es jetzt zu spät.)
Ich hätte dieses Buch gerne einer Freundin geschenkt, die mir vor einer Weile ein Buch mit ihren Gedichten geschenkt hat, aber Eva hätte wohl gesagt, ich soll nicht schon wieder die Leute erziehen wollen. Sie hätte recht: die Gedichte waren mMn grottenschlecht, so á la: Gedanken mit lyrischen Gefühlen aufgeschrieben. Da hülfe es nicht einmal, wenn die Gedanken aufschlussreich oder sonstwie besonders wären. Und ich dachte mir halt, vielleicht kann ich ihr durch die Bücherblume sagen, dass sie es mal mit einem richtigen Gedicht versuchen könnte.
Ja, fragen Sie mich, was ein richtiges Gedicht ist! – Mit meiner Antwort würde ich heute nicht mehr fertig (es ist 17:47h), auch wenn ich nicht in einer halben Stunde verabredet wäre.
Aber ich versuch‘s: Ein richtiges Gedicht braucht nicht einmal eine sich vermittelnde Bedeutung, wenn es denn Wohlklang hat. Es braucht nicht einmal Wohlklang, wenn die Autor*innen den nicht haben wollen. (Das führt nirgendwohin.) Einigen wir uns darauf: ein Gedicht braucht Klang. Man muss es nicht verstehen, aber man muss den Eindruck haben, dass etwas zu verstehen wäre. Die Leser*innen können ruhig lyrische Gefühle haben, aber für die Lyriker*innen sollte es Arbeit gewesen sein (nicht dieses Hinfetzen – oder -ströhmen – und dann das Gefühl haben, dass man es nicht besser hätte sagen können; also auf keinen Fall überarbeiten!). Ein Gedicht braucht eine gewollte Form für einen Gehalt. (Gestalt für Gehalt wäre eine gute Kürzestdefinition, oder?)
Ich weiß, wovon ich schreibe. Ich habe früher auch Gedichte verfasst. Solche wie meine Freundin. Ich war stolz darauf. Ich habe nicht verstanden, warum die niemand verlegen will.
Jetzt weiß ich es. Ich habe mich durch einen Teil von Reclams Gedicht-Interpretationen in 6 Bänden gearbeitet und bemerkt: meine Gedichte genügen nicht. Auch deshalb habe ich mir Domins Buch gekauft: um vielleicht einen neuen, besseren Ansatz für eigene Gedichte zu finden. Unglaublich, was Autor*innen über ein paar Zeilen zu erzählen haben! Toll, wie diese Beschreibungen durch die zumeist analytischen Interpretationen ergänzt werden. Und dann kam meine Freundin mit ihrem selbst verlegten Buch daher. Und ich dachte: warum denkst du nicht so wie ich? Warum traust du dich etwas zu veröffentlichen, das nicht (überarbeitet habende) Hand noch (Vers-)Fuß hat? Warum traue ich mich so etwas nicht? Warum schreibe ich keine Gedichte mehr? Weil ich den egomanischen Wahnsinn brauche, in dem ich sie früher hingefetzt habe? Und weil das nicht geht in einer Lebensgemeinschaft, die für mich mehr Sinn hat als Gedichte?
– Das waren jetzt nicht wirklich Lektüre-Notizen. Aber macht nichts. Ich probiere hier ja nur mal so rum.
Liest da jemand?
(Das, liebe Eva, ist eine Anspielung auf den früheren „Licht ins Dunkel“-Slogan „Ist da jemand?“.)