Ferris, Joshua: ins freie
Kurzkritik – Was meinen Sie? – Ausführliche Besprechung – Infos
- Hardcover & Hörbuch
- Erschienen 2010 bei Luchterhand & Randomhouse
- Aus dem Englischen von Marcus Ingendaay
- Originalausgabe: „The Unnamed“, 2010
Inhalt:
Eigentlich will Tim Farnsworth nur funktionieren. Im Beruf. In seiner Ehe. Als Vater. Warum auch nicht, hat er doch alles, was es für ein erfülltes Leben braucht: Erfolg, Wohlstand, familiäres Glück. Doch dann ist von einem Tag auf den anderen nichts mehr, wie es war. Denn er sieht sich getrieben, das zu zerstören, was er liebt. (Pressetext)
Kurzkritik:
Ferris führt uns in die Abgründe einer unschuldig leidenden Existenz, die mit einem undurchschaubaren Dämon kämpft bis zum letzten Atemzug. Sind wir deshalb froh, nur ein paar kleinere und größere Macken zu haben? Oder stellen wir uns unseren Dämonchen (viel mehr, als wenn wir „bloß“ einen Thriller schmökern), während uns Ferris nicht und nicht ins Freie entlässt?
Werner gibt (4,5 von 5 Eselsohren)
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Mit dem Dämon kämpfen
Ein beunruhigender Roman. Am Anfang mag man sich noch in einem Psychothriller wähnen, wenn „es“ bei Tim Farnsworth wieder beginnt: Er ist Teilhaber einer angesehenen Anwaltskanzlei, an sich glücklich verheiratet und er geht feinfühlig mit seiner pubertierenden Tochter um.
Doch irgendetwas stimmt nicht mit ihm. Mit einem Mal muss er die Kanzlei verlassen und sich mit einem Taxi nach Hause fahren lassen. Dort zieht ihm seine Frau warme Sachen an (es herrscht tiefster Winter) und stellt ihm einen gepackten Rucksack mit einem GPS-Ortungsgerät neben das Bett.
He has got to go
Sie weiß: Er wird bald den unbändigen Drang verspüren zu gehen. Er wird nicht mehr damit aufhören können, bis er irgendwo zusammenbrechen wird und schlafen.
Dies passiert also nicht zum ersten Mal. Und bisher konnte Tim niemand helfen, weder Fachärzte noch Psychologen haben herausgefunden, was mit ihm los ist.
Angst und bang
Das klingt jetzt vielleicht nicht rasend spannend, ist es aber. Sehr. Joshua Ferris beschreibt diese Situation und diese Menschen, das einem angst und bang wird. Und natürlich will man wissen, woran dieser wohlhabende Jurist leidet, – ebenso wie seine Frau, die ihn, wenn es über ihn kommt, immer wieder suchen muss und ihn auch findet, die ihn sehr liebt und dennoch zeitweise bezweifelt, wie sie das alles auf Dauer aushalten soll.
Damit umgehen
Irgendwann wir man bemerken, dass man sich gar nicht in einem Pageturner befindet. Dass es eigentlich gar nicht mehr darum geht, herauszufinden, was dieser wohlhabende Jurist hat, sondern darum, wie er mit etwas umgehen könnte, wofür es keine Erklärung gibt und das seine Existenz bedroht.
Und während man noch auf diese Erklärung oder auf ein Happy End hofft, macht sich Tim Farnsworth wirklich auf „ins freie“. Wir begleiten ihn und leiden mit ihm (und seiner Frau und seiner Tochter) und bedauern es keine Sekunde, nicht doch einen Psychothriller zu lesen.
Die Abgründe
Denn Ferris führt uns in die Abgründe einer unschuldig leidenden Existenz, die mit einem undurchschaubaren Dämon kämpft bis zum letzten Atemzug. Sind wir deshalb froh, nur ein paar kleinere und größere Macken zu haben? Oder stellen wir uns unseren Dämonchen (viel mehr, als wenn wir „bloß“ einen Thriller schmökern), während uns Ferris nicht und nicht ins Freie entlässt?
Finden Sie das selbst heraus. Unbedingt.
Von Werner Schuster
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Zum „ins freie“-Special bei Randomhouse.
Joshua Ferris wurde 1974 in Illinois geboren. Sein erster Roman „The We Came to the End“ (2007) (dt.: „Wir waren unsterblich“; Rowohlt 2007) wurde von der Kritik hoch gelobt, war ein internationaler Bestseller und wurde für die Shortlist des National Book Award nominiert. Joshua Ferris lebt in New York.
Mehr über Joshua Ferris bei Wikipedia und auf www.joshuaferris.com.
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