Claassen, Utz: Atomblut
Kurzkritik – Was meinen Sie? – Ausführliche Besprechung – Infos
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Inhalt:
Herbst 2011. Es ist die Zeit der Energiewende, nach den Ereignissen von Fukushima. Fabienne Felsenstein, neue Vorstandsvorsitzende bei einem großen deutschen Energiekonzern, will den Konzern radikal umbauen. Es ist eine Operation am offenen Herzen der Industriegesellschaft. Fabienne merkt schnell, dass es um weit mehr geht als um ökonomischen Erfolg. Bei den richtig großen Deals sind die Grenzen der Legalität bedeutungslos. Bald muss sie feststellen, dass sie selbst in die krummen Deals verwickelt wird. Wird sie ihre Integrität bewahren? (Pressetext)
Kurzkritik:Ich frage mich: Wollte Utz Claassen mit „Atomblut“ einen realitätsnahen Wirtschaftskrimi schreiben oder einen reißerischen Thriller? Hätte ihm wenigstens eines dieser Vorhaben gelingen können? Wird unser Wirtschaftssystem tatsächlich von Hollywood-Film-Bösewichten beherrscht? Und müssen wir uns das allen Ernstes von einem Wirtschaftsexperten sagen lassen?
Werner gibt (1,5 von 5 Eselsohren)
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Real und unwahrscheinlich
Utz Claassen ist an seinem ersten Kriminalroman gescheitert, weil er sich einfach zu viel vorgenommen hat. Einerseits wollte er einen realistischen Wirtschaftskrimi schreiben, wozu er als Top-Manager, Unternehmer, Unternehmensberater etc. vom Insider-Wissen her theoretisch bestimmt befähigt gewesen wäre. Wem bisher nicht klar war, wofür ein Vorstand und ein Aufsichtsrat eigentlich gut sind, – in „Atomblut“ erfährt man es anschaulich.
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Die Profi-Frau hat keine Ahnung
Frau Felsenstein will den Konzern total umkrempeln, doch obwohl sie ein Profi ist, scheint sie keine Ahnung davon zu haben, dass man gerade in ihrer Branche mit Überzeugungsarbeit allein wenig erreichen kann, und vor allem, dass es doch tatsächlich Menschen in leitenden Positionen gibt, die sich nicht nur gegen Veränderungen wehren, sondern auch doppelte Spiele spielen.
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Die Katastrophe von Malakka
Das funktioniert bei ihm schon deshalb nicht, weil er reale Ereignisse (wie Fukushima) gleichberechtigt neben fiktionale stellt (etwa ein infernales Flüssiggas-Tanker-Unglück in der Straße von Malakka mit 215 toten Seeleuten, 16 verlorenen Schiffen und Schäden in Milliardenhöhe), was verwirrend ist.
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Manager leben gefährlich
Damit der Böse seiner gerechten Strafe zugeführt wird, begeht ein Vorstandsmitglied – ebenfalls aus persönlichen Gründen – einen läppischen Mord, der leicht hätte scheitern können. (Der Autor scheint sich außerdem keine Gedanken darüber gemacht zu haben, dass bei diesem Attentat auch Unschuldige ums Leben hätten kommen können; seiner Figur traut man dies zumindest nicht zu.)
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Selbstlernende Energiesysteme
Weiters braucht Claassen für seine Story auch noch ein sehr großes Personal, von dem nur wenige Personen die Handlung antreibende Funktionen haben, sondern mehr ausschmückende, Gesellschafs-Schichten beschreibende. Auch das macht die Sache natürlich nicht spannender.
Und schließlich will uns der Autor nicht nur die Struktur eines Energiekonzern nahebringen, sondern auch die Zukunft der Energiewirtschaft. Dass er sich dafür ausgerechnet Frau Felsenstein ausgesucht hat, macht aus der gefürchteten Saniererin unvermittelt eine – auch von ihren KollegInnen – belächelte Träumerin. Denn die setzt sich bei RuhrSTROM nicht nur für eine Weiterentwicklung erneuerbarer Energien ein, sie möchte sogar in Richtung dezentrale Energieversorgung und selbstlernender Energiesysteme gehen.Film-Bösewicht
Doch das alles läuft ohnedies ins Leere, als sich der Oberschurke am Schluss outet. Das Roman-Konstrukt zerbröckelt angesichts eines Menschen, der unvermittelt seine Allmachts-Phantasien auslebt und damit den Aufsichtsrat, den Vorstand und die LeserInnen verblüfft und fassungslos zurücklässt. Man fragt sich: Wird unser Wirtschaftssystem tatsächlich von Hollywood-Film-Bösewichten beherrscht? Und müssen wir uns das allen Ernstes von einem Wirtschaftsexperten sagen lassen?
Von Werner Schuster
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Mehr über Utz Claassen bei Wikipedia.
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- von: Werner
- was: AutorInnen C – Krimis & Thriller – Rezensionen – Verlage U–Z
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