Nachruf
Das ist jetzt ein wenig wie mit den Programmkinos, in die man seit Jahren nicht mehr gegangen ist. Und dann findet man es nicht o.k., dass die auf einmal zusperren. Auf jeden Fall ist es zu spät, „Galore“ jetzt noch zu loben.
Vor 5,5 Jahren habe ich vor einer Zugfahrt zufällig die erste Ausgabe dieses Interview-Magazins (mit Björk, David Bowie, TC Boyle, Johnny Cash, Leander Haussmann, Jim Jarmusch, Spike Jonze, Iggy Pop, Henry Rollins, Rick Rubin, Uma Thurman, Tricky, Roger Waters, Farin Urlaub usw.) entdeckt und bin wenig später Abonnent geworden.
Denn diese Interviews waren eher Begegnungen und vermieden die immer gleichen Antworten auf die ewig selben Fragen, wie sie 99 Prozent der landläufigen Interviews ausmachen.
Ab sofort online!
Nach zwei Jahren habe ich mein Abo wieder gekündigt. Nicht, weil die Hefte schlechter geworden wären (oder weil die mich nicht mitarbeiten ließen), sondern weil ich die tollen Interviews kaum noch gelesen habe – außer den ein bis zwei Promis, die mich brennend interessierten. Das Heft lag eine Weile im Wohnzimmer oder neben dem Bett herum und wurde dann in die Reihe mit den vorigen Ausgaben gestellt. Irgendwann dachte ich, das kann‘s doch nicht sein.
Letztes Jahr erhielt ich eine Mail: „Galore“ könne nicht mehr finanziert werden und werde ab sofort im Internet weiter erscheinen – mit wöchentlich fünf neuen Interviews.
Vorletzte Woche wollte ich – ehrlich! – endlich darauf hinweisen, aber das letzte Literatur-Interview war drei Monate alt. Nu, dachte ich, schau ich später mal wieder vorbei.
Ewig schade!
Mitte letzter Woche habe ich dann eine Mail von „Galore“ bekommen: „Unsere Idee, das Interview-Magazin im Netz weiter zu führen, ist leider nicht aufgegangen. Es ist unter wirtschaftlichen Aspekten nicht verantwortbar, das Projekt weiter zu führen.“
Ewig schade, seufzte der Programmkino-Nicht-Besucher. Und jetzt weist er auf über 900 Interviews hin, die auf www.galore.de zu finden sind. Über LiteratInnen sind dort über 100 Gespräche abrufbar.
Werner Schuster
Galore-Interviews mit SchriftstellerInnen, von denen es Eselsohren-Buchbesprechungen gibt:
Philippe Djian:
„Macht es 2020 noch Sinn zu schreiben? Das ist die Frage.“
Doggy Bag. Eins
T. C. Boyle:
„Daheim bin ich ein waschechter Pedant.“
Talk Talk
Wassermusik
World‘s End
Paul Auster:
„Wenn man morgens aufwacht, besteht immer die Möglichkeit zu frühstücken.“
Mann im Dunkel
Holm Friebe, Thomas Ramge
Selbst ist der Macher
Marke Eigenbau
Thea Dorn:
„Ich brauche meine Rückzugsräume.“
Mädchenmörder
Matt Ruff:
„Viel Böses entsteht, weil sich die Menschen in ihrem Gutsein überschätzen.“
Bad Monkeys
Elke Heidenreich:
„Wer nachmittags Sat1 guckt, hat weniger vom Leben als ich.“
Wörter aus 30 Jahren
Richard Ford:
„Ich möchte steuern, was um mich herum passiert.“
Der Sportreporter
DBC Pierre:
„Mein Instinkt war eine Zwangsneurose.“
Jesus von Texas
Juli Zeh:
„Dass wir uns in der Welt verloren fühlen, ist völlig normal.“
Adler und Engel
Alles auf dem Rasen (Erste Besprechung)
Alles auf dem Rasen (Zweite Besprechung)
Wolf Haas:
„Die Literatur hinkt den anderen Kunstrichtungen hinterher.“
Der Brenner und der liebe Gott
Silentium!
Martin Walser:
„Das Leben ist immer gleich weit weg vom Tod.“
Halbzeit
Tomi Ungerer:
„In meiner Welt gibt es keine Sündenböcke.“
Der Zauberlehrling
Daniel Kehlmann:
„Für mich sind die Simpsons interessanter als Castorf.“
Ich und Kaminski
Ilija Trojanow:
„Die Sehnsucht nach Heimat ist eine Fiktion.“
Der Weltensammler
John Irving:
„Ein gutes Gespräch kennt seinen Weg.“
Gottes Werk und Teufels Beitrag
Donna Leon:
„Viele Leute lächeln und sind Verbrecher.“
Blutige Steine
Das Mädchen seiner Träume
Jeffrey Eugenides:
„Es ist eine Verlängerung der Adoleszenz, Schriftsteller zu sein.“
Der Spatz meiner Herrin ist tot